Am vergangenen Freitag hatte
Alice Sara Ott noch die zweite
Londoner Yellow Lounge in einem Szeneclub eröffnet und sich dort dank der unbeschwerten Frische ihres Spiels und ihrer leidenschaftlichen Erläuterungen der vorgetragenen Werke als ideale Botschafterin der Klassik für ein Publikum erwiesen, das den klassischen Konzertsaal sonst eher meidet. Und schon am Sonntagabend begeisterte die Pianistin mit außerordentlicher Musikalität und Anmut wieder in gewohntem Rahmen, im nahezu ausverkauften
Kammermusiksaal in der Berliner Philharmonie.
Dabei überzeugte das Solo-Recital der 23-Jährigen durch eine fesselnde Dramaturgie und einen vielseitigen Interpretationsstil. In einem weißen Seidenkleid schwebte die barfüßige Alice Sara Ott an ihr Instrument und begann sogleich mit einer leichthändigen und vielfarbigen Interpretation von
Mozarts Duport-Variationen, der sie eine in zügigem Tempo und mit nachdrücklichem Ernst vorgetragene
3. Klaviersonate Ludwig van Beethovens folgen lies. Nach der Pause beeindruckte die Echo Klassik-Preisträgerin 2010 mit ihren tänzerischen und rhythmisch kraftvoll vorgetragenen Interpretationen der
Chopin-Walzer op. 34 und 64. Und das ganz dem Jubilar
Franz Liszt gewidmete Finale geriet zum emotionalen und mitreißenden Höhepunkt des Abends. Es ist erstaunlich, wie kraftvoll, dynamisch und mit welcher Spontaneität der Empfindung diese zierliche Pianistin die beiden letzten Sätze aus Liszts
Études d’exécution transcendante, “Harmonies du soir” und “Chasse neige”, sowie die abschließende Rigoletto-Paraphrase spielte. Sie entfesselte einen wahren Klavier-Sturm! Mit zwei Zugaben, dem cis-Moll-Nocturne von Frédéric Chopin und Franz Liszts brillanter La Campanella, riss Alice Sara Ott das Berliner Publikum zu stehenden Ovationen hin.