Wilhelm Furtwängler | News | Ernst und Frohsinn

Ernst und Frohsinn

01.11.2002
Zu den letzten Worten Wilhelm Furtwänglers gehört der Satz: “Die künstlerische Form braucht, um überhaupt entstehen zu können, den Kampf, die Auseinandersetzung des Künstlers mit dem Gegenüber”. Dieses Credo stammt aus einer Rede, die er für die Bayerische Akademie der Schönen Künste vorbereitet hatte und fasst im Kern zusammen, worum es dem Dirigenten sein Leben lang ging. Um den Kampf mit den Elementen der Kreativität – und den Sieg über die Herausforderungen der Gestaltung.
Die meisten Tondokumente, die der Nachwelt von Wilhelm Furtwängler geblieben sind, stammen aus seinem letzten Lebensjahrzehnt. Als Kind des 19. Jahrhunderts entwickelte er seine Kunst jedoch bereits zu einer Zeit, als die Aufnahmetechniken noch ungenügend waren, um die Feinheiten des Interpretation angemessen festzuhalten. Geboren 1886 in München als Sohn eines Archäologieprofessors, wuchs er in einem humanistisch geprägten Umfeld auf. Profunde Schulausbildung, Klavierunterricht bei Konrad Ansorge und einigen weiteren Lehrern bereiten ihn soweit auf die musikalischen Welt vor, dass er 1906 als 2.Repititor in Berlin anfangen konnte. Furtwängler war ehrgeizig, dirigierte mit 20 Jahren Bruckner in München und schaffte es schließlich über einige Zwischenstationen 1920 von Richard Strauss als dessen Nachfolger als Leiter der Sinfoniekonzerte der Berliner Oper vorgeschlagen zu werden. Wieder bewährte er sich und stand zwei Jahre später schon an der Spitze sowohl des Leipziger Gewandhausorchesters als auch der Berliner Philharmoniker. Von da an dirigierte er zahlreiche renommierte Ensemble und arbeitete neben Toscanini in Bayreuth. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam er zunächst in Probleme, weil er jüdische Musiker engagierte. Furtwängler trat aus Protest von allen Ämtern zurück, wollte auswandern, blieb aber nach einer onimösen Depesche, die sein Engagement in New York verhinderte, doch in Deutschland. Er vertiefte sich in die Arbeit in Bayreuth und mit den Berliner Philharmonikern ? so sehr, dass dieser Klangkörper auch nach dem Krieg noch minutiös auf seinen Dirigierstil geeicht war
 
Aus diesem Grund gelangen Furtwängler auch in seinen späten Jahren wegweisende Aufnahmen, die im symbiotischen Verhältnis von Leiter und Orchester gründen. Franz Schuberts “Symphonie Nr.9 C-Dur D 944” wird vor allem durch diese strenge Präzision der Zusammenarbeit in ihrer wuchtigen Monumentalität offenbar. Joseph Haydns “Symphonie G-Dur Hob I: 88” wiederum, eine der wenigen der rund 200 Haydn-Interpretation, die er während seiner Laufbahn aus Schallplatte zu bieten hatte, hält wunderbar die Waage zwischen tändelnder Fröhlichkeit und latenter Tragik. Die beiden im Winter 1951 in der Berliner Jesus-Christus-Kirche entstandenen Aufnahme wurden daher bereits nach ihrem Erscheinen als Meisterwerke erkannt. So konnte man in der Hannoverschen Presse lesen: "Dem weltberühmten Künstler im Zusammenwirken mit den Berliner Philharmonikern beim Vortrag der großen C-Dur-Sinfonie Nr.9 von Franz Schubert zu lauschen, ist ein einziger Genuss. Gehört doch dieses Werk mit seinen sprichwörtlichen “himmlischen Längen” von jeher zu den erkorenen Lieblingssinfonien Furtwänglers und der Philharmoniker im Konzertsaal. Haydns unversiegbarer Frohnatur in der Sinfonie Nr.88 in G-Dur weiß Furtwängler auf zwei Grammophon-Platten mit Witz und Geist zu begegnen. Das Spiel der Philharmoniker wirkt auch auf Platte wie aus einem Guss". Manches kann man eben kaum noch besser machen.
 
Die Referenz:
 
“Diese Aufnahme zählt zu den ganz großen Beispielen für Furtwänglers ebenso faszinierende wie individuelle Dirigierkunst.” (K.Breh, Stereoplay 4/86)