Albrecht Mayer weiß zu begeistern. Überall, wo der fränkische Meisteroboist hinkommt, verbreitet er gute Laune. Mayer ist nicht nur ein glänzender Solist, er strahlt auch menschliche Wärme aus, die sich unmittelbar auf sein Publikum überträgt. Wenn er den Konzertsaal betritt und zu spielen beginnt, dann entsteht sofort eine magisch-gespannte Atmosphäre.
Genauso ist es mit seinen CD-Veröffentlichungen. Jede einzelne von ihnen ist ein Ereignis. Keine ist mittelmäßig oder bloß vorläufig. Mayer hat immer eine Idee, ein Konzept, von dem er sich leiten lässt, und auf seinem neuen Album folgt er einem sehr persönlichen Motiv. Der Oboist hat für das Album “Vocalise” seine Lieblingsstücke aus den Veröffentlichungen der letzten Jahre ausgewählt und den Focus dabei auf Kompositionen gelegt, die den sanglichen Charakter der Oboe besonders prägnant zur Geltung bringen.
Lyrischer Ton: Albrecht Mayer singt mit der Oboe
Dass die Oboe eine besondere Nähe zur menschlichen Stimme hat, ist für Albrecht Mayer keine Nebensächlichkeit. Es ist vielmehr eine der wichtigsten Erkenntnisse seines musikalischen Selbstverständnisses. Mayer war in jungen Jahren Mitglied des Bamberger Domchors, und obgleich er sich gegen eine Gesangskarriere entschied, hat er seine Lust am Singen doch nie vergessen und sie mit in seine Solistenkarriere getragen. Wenn Albrecht Mayer Oboe spielt, dann singt er mit seinem Instrument.
Der gesangliche Charakter der Oboe ist für ihn essenziell. Abrecht Mayer hält immer nach Repertoire Ausschau, das die kantablen Schönheiten seines Instruments hervorlockt, und wenn er einen Komponisten liebt und keine Oboenliteratur bei ihm findet, dann hilft er sich mit Arrangements und Transkriptionen aus. Auf diese Weise hat er viel Musik, die ursprünglich nicht für sein Instrument komponiert wurde, für Oboe umgesetzt, und sein neues Album enthält die schönsten Funde und Klassiker, die er in den letzten Jahren aufgenommen hat.
Breites Repertoire: Vom Barockzeitalter bis in die moderne Zeit
Das Album ist reich an melodiösen Stücken, die den Schönklang der Oboe, ihre weichen, lyrischen Nuancen, glänzend zum Vorschein bringen. Das Spektrum reicht von barocken Arien bis hin zu französischen Chansons. Prominent vertreten sind Arien von Georg Friedrich Händel, den Mayer seit jeher schätzt. “Ich fand es toll”, so der Meisteroboist im Booklet zur CD, “dass die Arien schon zu Händels Zeiten das Publikum zur Raserei bringen konnten und heute noch immer das Potenzial dazu haben.”
Und in der Tat verzaubern Arien wie
Lascia ch’io Pianga oder
Will the sun forget to streak den Hörer, denn Mayer spielt sie mit hingebungsvoller Zartheit. Zeigt er hier seine lyrischen Stärken, so bewährt sich in den Transkriptionen frühmoderner Komponisten seine Fähigkeit, lange Linien zu ziehen und den Überblick zu behalten. So in
Clair de Lune von
Claude Debussy, das er in einem Arrangement von Chris Hazell vorträgt und in geduldigen Wellenbewegungen sanft fließen lässt. Das ist atemberaubend, einfach überwältigend.