Die Sonaten waren für
Franz Schubert von Anfang an ein Kampf, wenn auch ein produktiver. Über 13 Jahre verteilt hat er insgesamt 21 angefangen, wobei allerdings nur 12 vollendet wurden. Im
Unterschied zu Beethovens nach strengen Formprinzipien gebauten Werken, bei denen eine klare kompositorische Linie die Themengestaltung dominierte, ließ Schubert sich mehr treiben. Er entwickelte
Motive über lange Spannungsbogen hinweg, betonte das
lyrische Element im Gegensatz zum dialektischen und schaffte es auf diese Weise, eine bunte Palette harmonischer, dynamischer und melodischer Variationen zu entwerfen.
Sein Interesse galt dem gestalterischen Detail, der klangarchitektonische Überbau war bestenfalls Mittel zum Zweck, aber nie Sinn einer Komposition. Erst mit den drei späten
Sonaten D958–960, die 1828 nach dem Tod Beethovens entstanden, löste er sich komplett von den latent vorhandenen Vorgaben und erwies doch zugleich dem Vorbild indirekt die Referenz, indem er sich behutsam etwa rhythmisch auf den Schlusssatz der
„Kreutzer-Sonate“ (D958) oder auch anklanghaft auf die Motivik der
„Pathétique“ bezog. Mit der
D960 schließlich nahm er, selbst bereits von schwerer Krankheit gezeichnet, Abschied vom Klavier, hymnisch und ungewöhnlich ausladend, ätherisch und stellenweise bedrohlich.
Alfred Brendels Spezialität sind unter anderem umfassende Einspielungen ganzer Zyklen und Schaffenskomplexe. Von
1970 an nahm er alle Beethoven-Sonaten für die Philips auf, ebenso die
Mozart’schen Klavierkonzerte gemeinsam mit
Neville Marriner und dem Kammerorchester
Academy of St Martin in the Fields. So wundert es nicht, dass Brendel auch im Fall von Franz Schubert einen gewissen Hang zur Vollständigkeit entwickelte. Überblickt man das Repertoire der
7 CD Box „Alfred Brendel – Schubert: Piano Works 1822–1828“, so finden sich dort zunächst die als Krone ihrer Gattung geltenden „Klaviersonaten“, natürlich Monolithen der Klavierliteratur wie die
„Wanderer-Fantasie“, aber auch die ungemein inspirierenden
„Impromptus“, Sammlungen mit
„Deutschen Tänzen“, die
„Moments Musicaux“, darüber hinaus einzelne kleinere Werkausschnitte wie die
„3 Klavierstücke D946“. Die 1987 und 1988 für die Decca entstandenen Aufnahmen wurden nach den neuesten Erkenntnissen der Technik remastered und sind mit einem umfangreichen Booklet versehen – eine gute Gelegenheit auf höchsten interpretatorischem Niveau in die Welt der Klavierwerke von Franz Schubert einzusteigen.