Alfred Brendel | News | Die Erkundung des Genies - Alfred Brendel mit einer 3 CD-Box zum Liszt-Jubiläum

Die Erkundung des Genies – Alfred Brendel mit einer 3 CD-Box zum Liszt-Jubiläum

Alfred Brendel © DECCA / Benjamin Ealovega
© DECCA / Benjamin Ealovega
09.09.2011
Mit Franz Liszt veränderte sich das Konsumverhalten des Publikums. Als begeisterter Virtuose ließ er es sich nicht nehmen, auch vor Tausenden von Leuten zu spielen. Damit jedoch löste er die klassische Musikdarbietung aus dem Zusammenhang adelig-höfischer und bürgerlich-salonhafter Vortragsweise. Das hatte auch Auswirkungen auf seine Kompositionen, denn sie mussten so konzipiert sein, dass sie auch in einem großen Saal dynamisch differenziert wirken konnte. So gilt er bis heute als einer der am schwersten zu spielenden Komponisten. Alfred Brendel geht in der Beurteilung von Liszts Persönlichkeit und dessen Einfluss auf die Konzertgewohnheiten der Moderne sogar noch einen Schritt weiter. Denn seiner Meinung nach gehörte für den Hochromantiker auch eine besonderen Form der Gestik zum Auftreten, die die Musik passend unterstrich, und die es für die nachfolgenden Generationen zur beachten gilt.

Denkt man sich Liszt als Pianisten, wie er beispielsweise seine opulente „h-Moll Sonate“ dem Publikum präsentiert haben könnte, dann hört man förmlich die physische Präsenz, die dieses Schlüsselwerk der Klavierliteratur durchzieht. Sie enthält alles, was die Kunst differenzierten Spiels ausmacht, und ist laut Brendel „die originellste, gewaltigste und intelligenteste Sonaten-Komposition nach Beethoven und Schubert“. Sie steht daher auch im Mittelpunkt der Liszt-Box, die auf 3 CDs Brendels Beschäftigung mit dem Komponisten dokumentiert. Dazu kommen noch weitere Schlüsselwerke wie die 1855/58 edierten Sammlungen „Années de Pèlerinage – Première Année: Suisse, Deuxième Année: Italie“, zwei Zyklen sehr unterschiedlich angelegter Klavierstücke, die zum Teil dem bereits 1842 erschienen „Album d’un Voyageur“ entstammten, zum Teil von Liszt während seiner ersten Italienreise 1837 −1839 komponiert wurden und von denen Alfred Brendel das zweite Jahr komplett und das erste ausschnitthaft festgehalten hat, ergänzt um das einzelne „Sursum corda“ aus der dritten Folge der musikalischen Pilgerreisen.

Es sind insgesamt verarbeitete und in Musik gefasste Landschaftseindrücke, aber auch tönende Umsetzungen von Gemälden und Kunstwerken der italienischen Renaissance, ja sogar Melodien, die von Dante inspiriert wurden. In jedem Fall ist es eine besonders ausgeformte Anwendung des Prinzips der Programmmusik bis hinein etwa in Jodel- und Alphornmotive oder farbliche Feinabstufungen von Akkorden, die zum besseren Verständnis einer Erklärung bedürfen. Dazu gesellen sich in der CD-Box noch Aufnahmen einzelner Werke wie die „Nuages gris“, die „Funérailles“, die „Légendes“ oder auch die „Harmonies poétiques et réligieuses“ und die „Fantasie und Fuge über das Thema B-A-C-H“. Als Werk mit Orchester wurde schließlich noch der „Totentanz“ mit den Londoner Philharmonikern unter der Leitung von Bernard Haitink in die Sammlung aufgenommen, so dass ein umfassender Überblick entstanden ist, der Franz Liszt aus der Perspektive eines Kenners gerecht wird.

Brendel, nicht nur ein begnadeter Pianist, sondern auch einer der profundensten Kenner der Klavierliteratur, nahm sich daher die Zeit, zu jedem Stück zusätzliche inhaltliche Erläuterungen zu geben, die es in Kombination mit den Einzelwerken ermöglicht, weiter als üblich in das Verständnis dieser bunt schillernden Kunstmanifeste einzutauchen. So ist die DVD mit Liszts „Année de Pèlerinage“ ein gelungenes Beispiel für die Möglichkeiten, die die Kombination von High-End-Audio und optischer Ergänzung bieten kann.
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