Alfred Brendel | News | Geburtstagshommage – Alfred Brendel feiert seinen 90. Geburtstag

Geburtstagshommage – Alfred Brendel feiert seinen 90. Geburtstag

Alfred Brendel
© Decca
05.01.2021
Es gibt nur noch wenige Künstler, deren Wirken das vergangene wie das neue Jahrhundert bis heute prägten. Einer von ihnen ist Alfred Brendel. Am 5. Januar 1931 im nordmährischen Wiesenberg geboren, erhielt er seinen ersten Klavierunterricht als Sechsjähriger. Aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg konnte Alfred Brendels künstlerische Laufbahn beginnen: ab 1948 studierte er Orchesterleitung und Komposition in Graz und gab als Siebzehnjähriger sein erstes Konzert. Ein Jahr nach seinem Debüt ging er als Preisträger aus dem Busoni-Wettbewerb in Bozen hervor und von diesem Zeitpunkt an baute er Stück für Stück seine internationale Karriere auf, die ihn 60 Jahre seines Lebens erfüllte. 2008 schließlich beendete Alfred Brendel mit einer großen Tournee seine aktive Laufbahn als Pianist, sehr zum Bedauern einer über die ganze Welt verteilten Gemeinde an Verehrern und Liebhabern seiner Kunst.

Aufnahmen als Zeugnisse technischer und künstlerischer Entwicklung

Zum Glück jedoch war Alfred Brendel als Künstler zeitlebens den neuen Medien gegenüber jederzeit aufgeschlossen. Dem Umstand, dass er, wenn die Bedingungen seinen hohen Ansprüchen genügten, Mikrofone in der Nähe seines Flügels nie scheute, verdanken wir heute eine unglaubliche Vielzahl großartiger Zeugnisse, die das Wirken des Pianisten und Künstlers Alfred Brendel auch all jenen zugänglich machen, die ihn seinerzeit nicht erleben konnten oder in Erinnerung des Erlebten schwelgen wollen. Etwa die Aufnahme von Beethovens sämtlichen Klaviersonaten aus den Jahren 1992–1996. Die 10 CD-DECCA Box zählt bis heute zur Grundausstattung jeder gut sortierten Klassik-Phonothek. Und es war beileibe nicht Brendels erste und einzige Aufnahme dieses gewaltigen Sonatenzyklus'. Gut dreißig Jahre früher, (1962–64) und dann noch einmal in den Jahren 1971–1979 hatte er sich der Herausforderung gestellt.
Für Alfred Brendel war es selbstverständlich, mit bestimmten Titeln seines Repertoires mehrmals ins Studio zu gehen. Die fünf Klavierkonzerte Beethovens etwa spielte er dreimal und unter verschiedenen Dirigenten ein. Zu den bei DECCA erschienenen herausragenden Aufnahmen gehören auch jene mit James Levine und dem Chicago Symphony Orchestra. Sie sind, ebenso wie die “Chorfantasie” mit dem London Philharmonic Orchestra und -Choir unter Bernard Haitink 2010 neu remastert als Box bei “eloquence” wiederveröffentlicht worden.
Allein die Diabelli-Variationen nahm er im Abstand von 12 Jahren dreimal auf, nicht nur, weil sie in seinem Repertoire eine Sonderstellung als Lieblingsstück einnehmen. “Ich bin”, schrieb er in seinem Buch “Wunderglaube und Mißtonleiter”, “als Musiker und Pianist nicht stehengeblieben. Meine Aufnahmen sind nicht Abziehbilder von schon Erworbenem”. Immer wieder wies er auf den engen Zusammenhang seiner Kunst mit der technischen Entwicklung des vergangenen Jahrhunderts hin: vom Mono zum Stereo, von der Langspielplatte und der Kassette zur CD, von der Band- zur Digitalaufnahme. “Mit dem Anwachsen der Erfahrungen war zugleich die Möglichkeit gegeben, aus der Vielzahl Wesentliches zu filtern.” Im Übrigen, so Brendel, könne er an der Folge der Aufnahmen seine Entwicklung ablesen.

Studio oder Live?

Als man ihn fragte, ob er Studioaufnahmen den Live-Aufnahmen vorziehe, antwortete er lächelnd und mit dem typisch Brendel’schen humorigen Understatement, er habe viele Studioaufnahmen gemacht und dank Philips/ DECCA auch einige Liveraufnahmen veröffentlicht. Und dann fuhr er fort: “Ich kann nicht sagen, dass ich das Eine dem Anderen vorziehe, aber es gibt manchmal Funde von Live-Aufführungen, wenn das Radio dabei war und eine gute Tontechnik, wo man sich freut, dass sehr schwierige Werke so gelungen sind und bei denen man zeigen konnte, dass man mit Vergnügen durchgekommen ist.” Das Mozart-Klavierkonzert Nr. 25 mit seinem hell ausbalancierten Flügel und Brahms 1. Klavierkonzert sind Brendel unter den Liveaufnahmen übrigens die liebsten.
Brendels große Liebe zur Musik Schuberts wird nicht nur in seinen zweifachen Aufnahmen der Impromptus D899 und D935 sowie verschiedener Schubertsonaten deutlich. Auch für dessen Liederzyklen “Schwanengesang” und “Die Winterreise” ging Brendel zweimal ins Studio, einmal mit Dietrich Fischer-Dieskau und einmal mit Matthias Goerne. Seine hohe Kunst als Liedbegleiter stellte er auch gleich zweimal in den Dienst von SchumannsDichterliebe”, einmal mit Eberhard Wächter und einmal wiederum mit Fischer-Dieskau. Eine Auswahl von Schuberts Klaviersonaten, darunter die letzten drei (D958–960), sowie die Impromptus D 899 und D935 und die “Wandererfantasie” D 760 sind in der 2008 bei “eloquence” erschienenen Box “Brendel spielt Schubert” wieder erhältlich.

Liszt, der generöseste unter allen

Von Franz Liszt sprach Brendel immer mit Hochachtung und Verehrung. Seine h-Moll-Sonate oder die “Années de pèlerinage”, zählte er zu den besten romantischen Klavierwerken. Sie sind, wie auch die beiden Klavierkonzerte Liszts mit dem London Philharmonic Orchestra unter Bernard Haitink (1996), auf der 5-CD-Box “Brendel spielt Liszt” in remasterter Form erhältlich. “Außerdem war Liszt von seiner Persönlichkeit her der wohl generöseste Komponist, den es je gab!”
Auch das Kapitel “Brendel und Mozart” nimmt im Gesamtwerk des Pianisten eine bedeutende Stellung ein. Mit Ausnahme der ersten vier spielte Alfred Brendel dessen Klavierkonzerte zwischen 1971 und 1984 mit Sir Neville Mariner und der Academy of St Martin in the Fields ein. Die bei “eloquence” wiederveröffentlichten Aufnahmen sind als 10-CD-Box erhältlich.
Bach, Haydn, Weber, Brahms, Busoni – Brendels Kunst deckte einen ungeheuer umfangreichen Kanon des Klavierrepertoires ab. Zuletzt erschien bei DECCA das Album Alfred Brendel live in Vienna mit zwei bisher unveröffentlichten Live-Aufnahmen: am 11. März 2001 spielte er im Goldenen Saal des Wiener Musikvereins mit den Wiener Philharmonikern unter Simon Rattle Robert Schumanns Klavierkonzert in a-Moll op.54 und im Juni 1979 konzertierte er eben dort mit den “Händel-Variationen” von Johannes Brahms.
Einmal gefragt, was er am Ende seiner so langen wie erfolgreichen Laufbahn jungen Musikern mit auf den Weg gebe, antwortete er: “Ich rate ihnen immer, Komposition zu studieren und selbst eine Weile zu komponieren. Es muss sich eine harmonische Verbindung einstellen zwischen dem Interpreten, dem Komponisten und dem Werk. Das Werk muss dem Spieler sagen, worum es sich handelt und wie man es verstehen soll. Nicht umgekehrt, als seien wir die Gouvernante des Komponisten.”
Am 5. Januar wird Alfred Brendel 90 Jahre alt. Wir gratulieren!
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