Wer sich für neue Einspielungen von Beethovens Werken für Klavier und Cello interessiert, hat die Qual der Wahl. Gleich zwei herausragende Interpretationen erscheinen in diesem Herbst. Die eine ist eine Familienangelegenheit zwischen Alfred und Adrian Brendel, die sich in intensiver Zwiesprache den anspruchsvollen Kammermusikwerken annehmen. Die andere stammt von András Schiff, der sich zusammen mit seinem ungarischen Landsmann Miklós Perényi den fünf Sonaten und den Variationen widmet.
“Beethovens fünf Sonaten für Klavier und Violoncello zeigen quasi in einer Nussschale die gleiche Entwicklung wie die 32 Klaviersonaten”, meinte der Pianist András Schiff unlängst in einem amerikanischen Radiointerview und präzisierte: “Da ist zum einen der ungestüme junge Beethoven in den Sonaten op. 5. Dann gibt es die op. 69 in A-Dur, die in der Mitte seines Lebens entstand und schließlich sind da noch die wunderbaren beiden Werke op. 102, die die Brücke zum späten Stil schlagen. Sie sind in gewisser Weise experimentelle Kompositionen, in denen sich der reife Beethoven herauskristallisiert”. Und noch mehr. Genau genommen markieren sie einen neuen Anfang der gestalterischen Arbeit für die beiden Instrumente. Seit Bachs drei Sonaten für Viola da Gamba und Tasteninstrumente war kaum noch Wesentliches für diese Klangkombination komponiert worden. Das hatte verschiedene Gründe. Der wichtigste war wohl, dass durch die Fortentwicklung des Klaviers, das über komplett andere Klangfarben und Dynamikspektren als das Cembalo verfügte, das vergleichsweise leise Cello sich nur schwer behaupten konnte. Besonders in den tiefen, warmen Lagen verschwand es schnell hinter dem Volumen des Tasteninstruments und erforderte daher eine spezielle Meisterschaft der Komposition, um ein ausgeglichenes, gleichberechtigtes Tonverhältnis zu schaffen.
Auch für Beethoven war diese Kombination nicht Priorität. Allerdings gab es einen äußeren Anlass, sich damit zu beschäftigen. Im Sommer 1796 reiste er nach Berlin, um vor König Friedrich Wilhelm II zu konzertieren. Der Monarch war ein begeisterter und auch nennenswerter Cellist, der sich darüber hinaus zwei Virtuosen dieses Instruments, Jean-Pierre und Jean-Louis Duport, bei Hofe hielt. Beethoven schrieb daher hurtig die beiden Sonaten op.5, die er mit einem der beiden Cellisten aufführte. Ein Jahr später wurden sie dann mit Widmung an den König veröffentlicht, waren also ein Stück Politik, die dem gesellschaftlichen Aufsteiger Pluspunkte einbrachten. Es ist bezeichnend, dass er sich im Anschluss daran mehr als eine Dekade Zeit lässt, bevor er 1807 mit der Sonate op.69 sich noch einmal dem Thema annimmt. Damals war Beethoven bereits arriviert, mitten in der Arbeit, seine 5. und 6.Sinfonie auszuformen, und verstand den Ausflug in die Kammermusik als eine zusätzliche Herausforderung, sich mit der Klangbalance auseinander zu setzen. Wie schon in op.5 umging er das heikle Thema des langsamen Satzes, mit dem er die lyrischen Qualitäten des Violoncellos hätte herausstellen müssen und entwickelte stattdessen ein beinahe tänzerisches Scherzo, das die Sonate zu einem der spannendsten Kammermusikwerke Beethovens überhaupt macht.
Den dritten Anlauf wagte er 1815, am Beginn seiner späten Phase und auch diesmal wagte er sich nur in op.102/2 an ein Adagio, das wiederum vom dunklen choralhaften Anfang bis zur Coda eines der bittersüß traurigsten Werke Beethovens darstellt. Darüber hinaus schrieb er noch drei Variationszyklen für Klavier und Cello, zwei über Themen aus der “Zauberflöte”, einen über eine Arie aus Händels “Judas Maccabäus”. Somit ist der Werkkomplex komplett, mit dem sich sowohl das Gespann Brendel Vater und Sohn wie auch das Duo Schiff & Perenyi auseinandersetzen. Welches sich nun für welchen Geschmack besser eignet, sei dahingestellt. Beide Interpretationen jedenfalls rangieren auf dem obersten Niveau künstlerischer Gestaltungskraft und garantieren ein Hörgenuss mit Tiefe, Inspiration, Reflexion.