Man hat Mozart eines gewissen Leichtsinns bezichtigt, und was seine Lebensführung anbelangt, ist dies gewiss richtig.
Das pralle Leben: Wolfgang Amadeus Mozart
Jeder Klassikliebhaber weiß von den Ausschweifungen des Salzburger Genies. Mozart liebte das pralle Leben. Er wollte sich nichts entgehen lassen. Alles kostete er bis ins kleinste Detail aus, mochte es auch noch so abwegig sein. Er war ein Entdecker par excellence. Stille, Gesammeltheit und Konzentration gehörten nicht zu seinen Kardinaltugenden. Es musste getanzt werden. Es musste wild zugehen, und wenn kein Geld mehr da war, wurde es trotzdem ausgegeben.
Spiegelt sich dies auch in seiner Musik? Ist sein aufregendes Leben, das an Party-Exzessen und Erotik-Abenteuern keinen Mangel litt, auch in seine Kunst eingeflossen? Ohne Zweifel. Die Frage ist nur: Wie? Skeptiker halten Mozarts Musik für leichtgängig. Besonders böse Zungen bezeichnen sie sogar als oberflächlich. Und hier erhebt der österreichische Pianist Alfred Brendel seinen entschiedenen Einspruch. Für ihn ist Mozart ein musikalischer Feinschmecker.
Der feine Unterschied: Alfred Brendel
Mozarts Musik ist für Menschen da, die den Unterschied lieben. Wenn an Mozart überhaupt etwas leicht ist, dann ist es seine unbedingte Tanzbereitschaft, seine natürliche Gabe, den Rhythmus und Puls von Musik spürbar werden zu lassen und die Zuhörer mitzureißen. Und das wiederum ist schwer. Deshalb ist Alfred Brendel nie müde geworden, die Größe von Mozarts Kompositionskunst herauszustellen, und er meint damit sowohl deren tänzerische als auch poetische Qualität.
Brendel dreht den Spieß sogar um und sagt: Mozart ist schwer. Die als technisch leicht geltenden Klaviersonaten des Wiener Klassikers hält Brendel zum Beispiel für eine große poetische Herausforderung. Diese Werke „gehören“, so bekennt er in einem ZEIT-Interview, „zum Schwierigsten. Jeder Ton, jede Nuance zählt. Nichts kann verborgen werden.“ Es geht um den reinen poetischen Ausdruck. Jede Klangschönheit von Mozart liegt offen zutage. Aber sie muss ergriffen werden, und kaum ein Pianist versteht sich darauf so geschickt wie
Alfred Brendel.
Erstmals in einer Edition versammelt: Brendels Mozart-Soloaufnahmen
Das ist jetzt eindrucksvoll zu erleben auf Deccas ELOQUENCE-Edition “Alfred Brendel spielt Mozart”. Aufgelegt aus Anlass seines 85. Geburtstags, bündelt die Ausgabe erstmals Brendels gesammelte Mozart-Soloaufnahmen. Die Edition umfasst 7 CDs und enthält ein breites Spektrum der schönsten Klaviersonaten Wolfgang Amadeus Mozarts. Hinzu kommen unter anderem: das ergreifende Adagio in h-Moll, die visionäre Fantasie in c-Moll (K. 475) und das lebhafte Rondo in a-Moll (K. 511).
Die Sonaten 4, 8 und 11 finden sich gleich mehrfach auf den Tonträgern, so dass sich interessante Vergleiche anstellen lassen. Brendels ureigener Stil ist immer zu erkennen. Aber der österreichische Pianist setzt auch gern neue Akzente, so dass man immer wieder überrascht wird. So frisch, so klar und so detailfreudig hört man Mozart jedenfalls selten. Brendel gelingt es wahrhaft meisterlich, die emotionale Tiefe, harmonische Schönheit und feierliche Ausgelassenheit Mozarts herauszustellen, und das war ja auch sein erklärtes Ziel.