Alfred Brendel | News | Sensationeller Fund – Bewegende Live-Mitschnitte von Alfred Brendel

Sensationeller Fund – Bewegende Live-Mitschnitte von Alfred Brendel

Alfred Brendel
© Decca
08.03.2018
Es ist jetzt knapp zehn Jahre her, da nahm Alfred Brendel Abschied von der Bühne. Die Strapazen des Konzertbetriebs waren zu groß geworden für den fast 80-Jährigen, der bei seinen letzten Auftritten noch einmal frenetisch gefeiert wurde.

Jahrhundertpianist: Alfred Brendel

Brendel hatte auf der Bühne stets alles gegeben. Kein Konzert glich dem anderen. Stets setzte er neu an, überraschte sein Publikum mit mutigen Wendungen. Für Zuhörer, die überrascht werden wollten, ein Geschenk! Aber auch Publikum, das Bewährtes liebte, kam bei Brendel auf seine Kosten, denn wie kaum ein anderer Künstler der Gegenwart verband der österreichische Pianist, Dichter und Musikschriftsteller konservative und avantgardistische Momente in seinem Klavierspiel.
Für Brendel gibt es nicht die eine wahre Interpretation. Jede Interpretation ist ein Versuch, ein Experiment. Das erfordert Offenheit, Forschergeist. Man muss sich gewissermaßen locker machen, sowohl als Ausführender als auch in der Rolle des Zuhörers. Dieser modernen Komponente korrespondiert auf der anderen Seite ein konservatives Element. Alfred Brendel sieht sich stark in der Pflicht der klassisch-romantischen Tradition und besteht darauf, die Anweisungen der Komponisten nicht leichtfertig zu übergehen.

Magischer Augenblick: Die Live-Performance

Diesen Maximen folgend, hat Alfred Brendel sein Publikum jahrzehntelang in Begeisterung versetzt. Was klassisch-romantisches Repertoire anbelangt, gibt es keine bessere Adresse als die des sympathischen Wahl-Engländers, der seinem Spiel stets eine Prise Humor hinzufügte. Dabei kamen der unschlagbare Charme und das Überraschungsmoment seines Spiels besonders in Live-Performances pointiert zur Geltung. Deshalb ist es ein Segen, dass jetzt Live-Mitschnitte aufgetaucht sind, die den großen Pianisten auf der Höhe seines Könnens zeigen.
Brendel selbst zeigt sich begeistert von dem Fund, der in den Archiven des ORF schlummerte und jetzt erstmals der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Die Interpretation von Schumanns schwer zu greifendem Klavierkonzert in a-Moll, lange ein Sorgenkind des Pianisten, vermag hier vor Brendels hohem Anspruch zu bestehen: “Ich bin dankbar dafür”, so der Pianist, “dass dieses Konzert mit den Wiener Philharmonikern und Simon Rattle im Jahre 2001 aufgenommen wurde. Außer dem nötigen Spielglück hatte ich unschätzbare Partner.”    

Nie schwülstig: Brendels Melancholie  

Dem kann man nur beipflichten, denn Brendel und die Wiener Philharmoniker finden hier zu einem Dialog, der in seiner poetischen Tiefe und gleichzeitigen Gelöstheit überwältigend ist. Es fließt wie zwischen Liebenden. Nichts muss erklärt werden. Alles versteht sich von selbst. Simon Rattle und Alfred Brendel scheinen ein ähnliches Taktgespür zu haben. Sie fassen Schumanns Klavierkonzert nicht sentimental auf. Der sehnsuchtsvolle Ton bleibt maßvoll. Er zehrt nicht an der Seele, sondern versetzt sie eher in eine Stimmung melancholischer Hingabe.
Das sind typische Brendelsche Überraschungen, die in dem zweiten Live-Mitschnitt des Albums, den Händel-Variationen von Brahms, eine fast gegenteilige Gestalt annehmen. Reduziert er bei Schumann das Pathos, so verleiht er den streng gebildeten Variationen und der Fuge von Brahms eine erstaunliche romantische Strahlkraft. Das ist auch dem Werk selbst geschuldet. Schon Wagner wunderte sich darüber, was “sich in den alten Formen noch leisten lässt”. Das nun von den Zauberhänden Brendels live dargeboten zu bekommen, ist ein Geschenk.  

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