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Sprache ohne Worte – Alice Sara Ott spielt Mussorgsky und Schubert

Alice Sara Ott
© Esther Haase / DG
17.01.2013
Wenn Alice Sara Ott die Bühne betritt, verfliegen all jene Unsicherheiten und Hemmungen, von denen sich die junge Pianistin im Alltag nie ganz freimachen kann. Als Tochter einer japanischen Mutter und eines deutschen Vaters kennt die 24-Jährige das Gefühl vollkommener Zugehörigkeit nicht und sieht sich oft kulturellen Vorurteilen ausgesetzt. Den Deutschen etwa falle es schwer, Asiaten auseinanderzuhalten. Und in Japan schockiere sie die Leute regelmäßig damit, dass sie japanisch spricht, erklärt Alice Sara Ott. „Da ich in zwei Kulturen aufgewachsen bin, hatte ich als kleines Kind immer das Gefühl, dass ich mich mit Worten nicht so gut ausdrücken kann. Das ist auch heute noch so.” Schon früh entdeckte sie die Musik als Möglichkeit, Dinge zum Ausdruck zu bringen, die sie mit Worten nicht ausdrücken kann.

Das Bühnenerlebnis als Befreiung

Über das Musizieren auf der Bühne sagt Ott: „Die Anwesenheit des Publikums hat für mich etwas sehr Befreiendes, in dieser Situation fühle ich mich immer ganz besonders unabhängig.“ Als Künstlerin auf dem Podium gehe es ihr vor allem darum, sich verständlich zu machen, ihre eigenen Emotionen zu vermitteln – und mit dem Publikum in einen Austausch zu treten. „Selbst wenn das Publikum nichts tut, kann man es hören. Wenn ich spüre, dass ich mit meiner Art der Kommunikation nicht durchkomme, variiere ich sie. Es ist wie ein gemeinsames Atmen, ein Geben und Nehmen, man hört einander zu und spricht miteinander.“

Eine besondere Herausforderung

Der Aufnahme ihres ersten Live-Solo-Recital-Albums, „Pictures“, für Deutsche Grammophon blickte Alice Sara Ott daher mit besonderer Vorfreude entgegen. Ihre Spannung wurde durch die Tatsache noch gesteigert, dass ihr bevorstehender Auftritt mit Mussorgskys „Bilder einer Ausstellung“ im russischen St. Petersburg, beim Festival der „Weißen Nächte“ im Juli 2012, für die Aufnahme ausgewählt wurde. „Ich war zum ersten Mal bei den ‚Weißen Nächten‘ dabei“, erklärt sie. „Es war eine große Ehre für mich, dort spielen zu dürfen, das bedeutete mir sehr viel – Mussorgsky in Russland vor einem russischen Publikum zu spielen, ist natürlich eine ganz besondere Herausforderung.“

Musik als universelle Sprache

„Natürlich kennt das russische Publikum dieses Stück besser und hat besondere Erwartungen”, sagt die Pianistin. Doch trotz aller Ehrfurcht habe sie keine Angst verspürt. “Für mich ist die Musik wie eine Sprache, ein Zauber, unter dessen Einfluss der Mensch sich nicht verstecken kann. Mit anderen Worten: In der Musik kann man nicht lügen. Bei einem Konzert kann man die Zeit vergessen, die eigene Sprache, die eigene Kultur und Hautfarbe. Daher spielt es keine Rolle, in welchem Land ich mich befinde.“

„Die Ewigkeit im Blick”

Bei ihrem nun als Aufnahme vorliegenden Konzert im St. Petersburger Mariinsky-Theater präsentierte Alice Sara Ott Mussorgskys wegweisenden Klavierzyklus zusammen mit der weniger bekannten „Gasteiner” Klaviersonate in D-dur, D 850 von Franz Schubert. Für Alice Sara Ott besteht die Gemeinsamkeit dieser sonst höchst unterschiedlichen Werke darin, dass beide sehr modern sind. “Sie sind zukunftsweisend, sind weit mehr als ein Ausdruck der Regeln der Zeit”, meint die Pianistin. “Beide Komponisten klammerten sich nicht an die Gegenwart, sondern hatten die Ewigkeit im Blick.”

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