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Pure Hingabe – Alisa Weilerstein spielt moderne Meisterwerke für Violoncello solo

Alisa Weilerstein
© Harald Hoffmann / Decca
01.10.2014
Sie ist mit ihrem Cello nahezu verwachsen, so eng ist die Bindung, die sie mit ihrem Instrument eingegangen ist. Wenn man sie spielen sieht, dann spürt man, dass sie mit jeder Faser ihres Körpers die Töne nachempfindet, die sie erzeugt. Cello spielen, das ist für Alisa Weilerstein nichts Halbes, nichts Gewöhnliches, nichts rein Berufliches, sondern pure Leidenschaft, Hingabe und Gefühlsausdruck. Mit dieser Haltung versteht sie es, sich unterschiedliche Formen von Musik anzueignen.

Blütezeit des 20. Jahrhunderts

Aus Antonín Dvořák, Edward Elgar, Max Bruch und vielen anderen Komponisten der romantischen oder spätromantischen Zeit hat sie in den letzten Jahren das herausgeholt, was emotional möglich ist, und sie ist in der Folge mit Preisen und Beifallsekstasen überhäuft worden. Was sie da spielte, war vorwiegend Konzertliteratur. Mit einem Solo-Album hat sie sich hingegen Zeit gelassen. Jetzt erscheint erstmals ein Album von ihr mit Werken, die ausschließlich für das Cello komponiert worden ist.
Weilerstein interpretiert auf dem neuen Album, das übrigens in einer digitalen Deluxe-Ausgabe exquisites Bonusmaterial mit Kompositionen von Prokofjew, Ligeti und Benjamin Britten enthält, Meisterwerke für Violoncello solo aus dem 20. Jahrhundert. “Bach”, so Weilerstein, “hat mit seinen Suiten für Violoncello solo den Fehdehandschuh geworfen”. Darauf sei eine Durststrecke gefolgt. Die poetischen und technischen Möglichkeiten des Instruments wurden nur wenig weiterentwickelt. Spätestens mit Pablo Casals und Zoltán Kodály änderte sich dies jedoch, und es beginnt, so Weilerstein weiter, “die außerordentliche Blütezeit des 20. Jahrhunderts – eine wahrhaft überreiche Auswahl”.

Selbstbefreiungen

Aus dieser Auswahl hat Alisa Weilerstein jetzt das herausgefiltert, was ihr besonders am Herzen liegt. Die CD setzt ein mit Zoltán Kodálys furioser Sonate für Cello solo aus dem Jahre 1915. Das Werk gilt als Meilenstein für das Instrument. Es lässt die nervöse, ängstliche, zugleich aber auch bewegte und von immer neuen Aufbrüchen gezeichnete Zeit der klassischen Moderne in Tönen erlebbar werden. Die dunklen Möglichkeiten des Cellos werden hier in betörenden Meditationen zur Geltung gebracht. Weilerstein dringt tief in die Schichten dieser Musik ein. Man hört Spiel- und Experimentierfreude heraus, aber auch ein berührendes einsames Klagen, das sich immer wieder mit geballter Leidenschaft aus sich selbst befreit. Wer das hört, dem stockt der Atem. Das ist Musik, die voll aus der Seele kommt.   

Tanzen und träumen

Nicht minder tiefgängig ist “Omaramor” (1991) von dem jüdisch-argentinischen Komponisten Osvaldo Golijov (Jg. 1960). Hier kann Weilerstein ihre Lust am Liedhaften und an der Folklore voll ausleben, denn das Stück enthält neben komplexen Harmonien ein anrührendes Liedzitat: Carlos Gardels Evergreen “My Beloved Buenos Aires”. Die folgende “Suite per violoncello” (1926) des Katalanen Gaspar Cassadó verlangt Weilerstein in technischer Hinsicht alles ab. Das Cello imitiert während eines katalanischen Kreistanzes ein Akkordeon, und das intelligent gefügte Ineinander von tänzerischem Schwung und poetischer Nachdenklichkeit wird von der Cellistin meisterhaft vorgeführt.
Mit “Seven Tunes Heard in China” (1992) aus der Feder des chinesisch-amerikanischen Komponisten Bright Sheng (Jg. 1955) endet das Album. Weilerstein begibt sich hier auf eine abenteuerliche Reise in ein fernöstlich-abendländisches Zwischenreich, in das man ihr unbedingt folgen sollte. Der musikalische Reichtum dieser westlich gebrochenen Fremdheit, die Weilerstein dem Hörer in verführerischer Manier vertraut macht, ist umwerfend.

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