Das Streichquartett gilt in der Welt der Kammermusik als Königsdisziplin und erfährt mit den umfangreichen Aufnahmen des Amadeus Quartets nun eine beeindruckende Würdigung. Wie aus einem Guss bekommt man mit den 70 Alben der Edition einen faszinierenden Überblick über das Repertoire für Streichquartett und die vielen klanglichen Ausdrucksmöglichkeiten der Besetzung. Einige der Aufnahmen erscheinen anlässlich des 70. Quartetjubiläums zum ersten Mal und enthüllen so bislang unentdeckte Schätze. Der ehemalige Cellist des Quartets, Martin Lovett, würdigt die Neuerscheinung der faszinierenden Edition als einziges noch lebendes Gründungsmitglied des Ensembles mit einem berührenden Text im Booklet.
Ausnahmequartett der Superlative
Das Amadeus Quartet war nicht nur das erfolgreichste und angesehenste Streichquartett des 20. Jahrhunderts, welches das Genre über vier Dekaden hinweg spektakulär dominierte. Was sie darüber hinaus von der überwältigenden Mehrheit anderer Streichquartette unterschied, war der Umstand, dass sie über ihre aktive Schaffenszeit von 1947 bis 1987 – in ihrer Gründungsbesetzung zusammenspielten, nicht ein einziges Mitglied wurde ausgetauscht. Als 1987 der Bratschist der Formation, Peter Schidlof starb, stand ein Ersatz keinen Augenblick zur Debatte. Dieser traurige Anlass markierte vielmehr das Ende eines Quartetts, dessen Hingabe und universelles musikalisches Können bis zum heutigen Tag die zahlreichen stilistischen Wechsel, die das Quartett-Spiel in den vergangenen Jahrzehnten durchlaufen hat, transzendiert.
Großmeister der Kammermusik
Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Joseph Haydn haben der Kompositionskunst für das Streichquartett große Bedeutung beigemessen und eine Fülle von Werken für diese Besetzung hinterlassen, die bis heute zum Kernrepertoire gehören und von den Notenpulten der großen Streichquartette in den Konzerthäusern dieser Welt nicht weg zu denken sind. Das Amadeus Quartett hat im Laufe seiner langen Karriere sämtliche Werke der Komponisten für Streichquartett eingespielt und für die Interpretation weiterer Stücke für verschiedene Quintettformationen illustre musikalische Gäste in seine Runde aufgenommen. Sieben Alben sind den Streichquintetten von Mozart, Beethoven, Schubert und Brahms gewidmet, in denen das Amadeus Quartet gemeinsam mit dem Bratschisten Cecil Aronowitz und den Cellisten William Pleeth und Robert Cohen im Wandel der Epochen die grenzenlosen Ausdrucksmöglichkeiten auf 20 Saiten zelebriert. Mit vielseitigen Kompositionen für Klavier-, Flöten-, Oboen- und Hornquartettbesetzung sowie mit Franz Schuberts “Forellenquintett” und Mozarts berühmter Serenade “Eine kleine Nachtmusik” KV 525 erfährt die Sammlung weitere Abwechslung.
Vier gewinnt!
Franz Schuberts Streichquartett “Der Tod und das Mädchen”, das “Amerikanische” Quartett op.96 von Antonin Dvorak und Giuseppe Verdis einziges Streichquartett in e-Moll sind emotionale Höhepunkte der Streichquartett-Literatur. Die klangliche Vielschichtigkeit der romantischen Werke kommt in den Interpretationen des Amadeus Quartets mit berührender Wucht zur Geltung. Die Musiker kreieren einen Klang, der durch seine Wärme und Dichte viel mehr transportiert als die Summe der vier einzelnen Stimmen. Norbert Brainin, Siegmund Nissel, Peter Schidlof und Martin Lovett präsentieren sich klanglich als perfekt aufeinander eingespielte Einheit. Unter ihren Händen atmet und lebt die Musik lebt und entfaltet eine berauschende Intensität, die einen beim Hören sofort in den Bann zieht. Mit Werken von Benjamin Britten, Peter Racine Fricker und Priaulx Rainier spannt das Amadeus Quartet den Bogen bis ins 20. Jahrhundert. Damit hat das Ensemble in seiner künstlerischen Schaffenszeit zwischen 1951 und 1987 ein ganz eigenständiges, komplexes Bild der Streichquartettliteratur hinterlassen und präsentiert sich als einzigartiger kammermusikalischer Klangkörper mit großem spielerischen Erzählwillen.