Drei Jahr zuvor war Ludwig van Beethoven nach Wien gezogen. Sein ursprünglicher Plan, ein Schüler von Mozart zu werden war durch den frühen Tod seines Idols vereitelt worden, daher vervollkommnete er seine Klavierkunst als Eleve von Joseph Haydn, Johann Schenk, Georg Albrechtsberger und Antonio Salieri. Anno 1795 nun fühlte er sich soweit, seine pianistische Kunst auch in Form von Klaviersonaten festzuhalten. Es entstanden die Werke op.2 und op.7, mit denen der ungarische Pianist András Schiff seiner Einspielung der Klavierwerke Beethovens in chronologischer Reihenfolge startet.
Es war ein schwieriges Verhältnis. Im Jahr 1792 hatte Joseph Haydn auf der Durchreise in Bonn Station gemacht. Bei dieser Gelegenheit war ihm der 22jährige Beethoven vorgestellt worden und der Wiener Meister hatte sich bereit erklärt, ihn in die höheren Weihen der Gestaltungskunst einzuführen. Über Vermittlung des Grafen Waldstein war der junge Mann nach Wien geschickt worden, allerdings mit dem Vorsatz, dass er nach Beendigung der Ausbildung auf einen höheren Verwaltungsposten nach Bonn zurückkehren sollte (was durch den Einmarsch der Franzosen im Rheinland verhindert wurde). Der Unterricht bei Haydn gestaltete sich schwierig. Zu eigenständig waren bereits Beethovens Vorstellungen von musikalischer Diktion. Bald landete er bei anderen Lehrern, bei Albrechtsberger, Salieri und Emanuel Aloys Förster. Die Empfehlungen Waldsteins machten ihm den Einstieg in die betuchten Gesellschaftsschichten leicht, seine Fertigkeiten als Klaviervirtuose wiederum verhalfen ihm zu ausreichend Renommee, bereits 1794 nicht mehr von fürstlichen Zahlungen aus seiner Heimatstadt angewiesen zu sein. Soireen mit Beethoven etwa im Hause Lichnowsky gehörten zum guten Ton dieser Jahre und der neue Star der Szene konnte sich die lukrativen Angebote aussuchen. Von 1796 an allerdings begannen die Probleme mit seinem Gehör, die sich zunächst in einem undefinierbaren “Sausen und Brausen” im Ohr manifestierten, bald aber zu deutlicheren Beeinträchtigungen führten. Gleichzeitig fing Beethoven an, sich mit eigenen Kompositionen einen Namen zu machen und sich in zunehmendem Tempo von seinen einstigen Vorbildern Bach, Haydn und Mozart zu emanzipieren.
Es war eine erstaunliche Leistung, die der gerade 23jährige vollbrachte, als er sich an die Erarbeitung seiner ersten drei Klaviersonaten op.2 machte. Denn er versuchte eine an Bach geschulte Stimmführung mit der Opulenz eines Händel, der Klarheit eines Haydn oder Gluck und der melodischen Vielfalt eines Mozart zu verbinden. Wirklich gelang es ihm erst 1796 mit der “Klaviersonate Es-Dur ' Grande Sonate' op.7”, die er seiner Schülerin Comtesse Babette von Keglevics widmete. Spätestens hier hatte er sich von den Vorgaben der Wiener Vorfahren emanzipiert und legte eine eigenständige dramatische Gestaltung an den Tag, die in ihrer Strenge und Konsequenz über die bisherigen Modelle der Sonatenhauptsatzform hinausführte.
Für den 1953 in Budapest geborenen und inzwischen zum internationalen Star der Klavierszene avancierten András Schiff ist gerade dieser Kontrast von Interesse, dieser Moment des Übergangs und der Loslösung von der Schulmeinung der Zeitgenossen, die die Beethovensche Klaviermusik zum Höhepunkt der Klassik und zugleich zum Wendepunkt hin zu freieren, genialischeren Klangvorstellungen der Romantik werden ließ. Nach seiner intensiven Beschäftigung mit den Werken Bachs und Mozarts eröffnet er seinen kompletten, auf acht Teile angelegten Sonaten-Zyklus in chronologischer Reihenfolge mit den frühen, wegen ihrer behaupteten Epigonalität vergleichsweise selten gespielten Sonaten, die jedoch grundlegend für das Verständnis von Beethovens musikalischer Architektur sind. Die Aufnahmen entstanden live in der Züricher Tonhalle, produziert von Manfred Eicher für das renommierte Label ECM New Series und werden im Booklet durch ausführliche Kommentare und Interviews mit Schiff ergänzt, die seine Visionen der Interpretation erläutern. Sie sind daher ein Markstein für eine zeitgemäße, modifizierende Deutung der seit der Lisztschen Dreiteilung des Klavieroeuvres unausgewogene Einschätzung des genialen Frühwerkes des Komponisten.