Vergleiche mit der menschlichen Stimme kommen spontan in den Sinn, wenn Andreas Ottensamer sein Instrument zum Leben erweckt. Mit Ausdruckskraft, Virtuosität und Klangschönheit schafft der österreichische Klarinettist Musik von seltener Einsicht und Emotionalität. Neben seiner umfangreichen Arbeit als Konzertsolist und Kammermusiker ist er Soloklarinettist der Berliner Philharmoniker, Künstlerischer Kodirektor des Bürgenstock Festivals in der Schweiz und Künstlerischer Direktor des Artström Festivals in Berlin.
Ottensamers berühmter Ton – voll, warm und von reicher Farbigkeit – beruht auf dem innigen Verhältnis, das er zu seinem Lieblingsinstrument hat, einer Wiener Klarinette. Daneben stehen seine außergewöhnliche Technik und sein musikalischer Sachverstand. »Man kann sich kaum hervorragendere Aufführungen vorstellen als diese«, urteilte Gramophone in der Rezension seines Albums mit Klarinettenkonzerten von Danzi sowie Johann und Carl Stamitz. Die Kritiker sind sich einig in der Bewunderung seiner künstlerischen Fähigkeiten. Die niederländische Zeitung NRC Handelsblad formulierte prägnant, er sei »ein Übersolist und ein Phänomen«.
Andreas Ottensamer wurde im April 1989 als Sohn einer angesehenen österreichisch-ungarischen Musikerfamilie in Wien geboren. Sein Vater Ernst war Soloklarinettist des Wiener Staatsopernorchesters und der Wiener Philharmoniker, und sein älterer Bruder Daniel ist jetzt Soloklarinettist der Wiener Philharmoniker. Andreas erhielt zunächst Klavierunterricht, bevor er an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien Violoncello studierte. 2003 begann er ein Klarinettenstudium bei Johann Hindler, einem Mitglied der Wiener Phiharmoniker, und hörte bald darauf mit dem Cellospiel auf. Er machte solche Fortschritte, dass er schon zwei Jahre später mit seinem Vater und seinem Bruder ein Ensemble bildete: The Clarinotts. »Es war wie eine ständige Herausforderung«, berichtet er. »Ich wurde so schnell besser, dass ich schon nach kurzer Zeit beschloss, bei diesem Instrument zu bleiben.«
Ottensamers Entschluss wurde durch Erfolge bei Wettbewerben und einen ersten Auftritt mit dem Wiener Staatsopernorchester im Alter von 16 Jahren belohnt. Nach Beendigung der Schule in Wien ging er als Student an die Harvard University, unterbrach jedoch sein Studium im Oktober 2009, um der Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker beizutreten. Im Jahr darauf startete er seine Orchesterlaufbahn als Soloklarinettist des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin, und seit März 2011 hat er die gleiche Position bei den Berliner Philharmonikern inne.
Im März 2013 unterzeichnete Andreas Ottensamer als erster Klarinettist überhaupt einen Exklusivvertrag mit Deutsche Grammophon. Drei Monate später erschien seine erste CD für das gelbe Label, Portraits – The Clarinet Album. Zu hören waren Konzerte von Cimarosa, Spohr und Copland, aufgenommen mit dem Philharmonischen Orchester Rotterdam und Yannick Nézet-Séguin. Das Album enthielt zudem Miniaturen von Gershwin, Debussy und Amy Beach. Im März 2015 folgte Brahms – The Hungarian Connection, ein sehr persönlicher Blick auf Brahms’ Klarinettenquintett, präsentiert im Kontext von Werken, die durch ungarische Volksmusik inspiriert sind. Für dieses Album erhielt Ottensamer den begehrten ECHO Klassik-Preis als »Instrumentalist des Jahres«. Er nahm auch ein Album mit seinem Vater und seinem Bruder für DG auf, The Clarinotts, dem die Londoner Times bei der Veröffentlichung im Januar 2016 bescheinigte, es sei »so virtuos, dass es klingt, als müssten sie mindestens zu viert statt zu dritt sein«.
Ottensamers Album New Era, das im Februar 2017 erschien, bot Konzerte von Vater und Sohn Johann und Carl Stamitz, Danzis Concertino für Klarinette und Fagott (mit Albrecht Mayer) und zwei Arrangements von Arien aus Mozarts Don Giovanni. Der Klarinettist war unlängst auch Partner von Nemanja Radulović bei der Aufnahme von Chatschaturjans Trio für Violine, Klarinette und Klavier, die für das jüngste, im November 2018 veröffentlichte Album (Baïka) des serbischen Geigers bestimmt war. Ottensamers nächstes DG-Album kommt im März 2019 heraus. Unter dem Titel Blue Hour enthält es Arrangements von Mendelssohns Liedern ohne Worte und Stücke von Brahms für Klarinette und Klavier mit Yuja Wang als Partnerin sowie Webers Klarinettenkonzert Nr. 1 in f-Moll in einer Aufnahme von 2017 mit den Berliner Philharmonikern und Mariss Jansons.
Andreas Ottensamer arbeitet auch gern mit Künstlern anderer musikalischer Richtungen zusammen, beispielsweise Tori Amos, und pflegt kammermusikalische Partnerschaften mit Yuja Wang, Leonidas Kavakos, Janine Jansen, Lisa Batiashvili, Nemanja Radulović, Sol Gabetta und Nicolas Altstaedt, um nur einige zu nennen. Sein Tourneeprogramms spiegelt die Breite seiner musikalischen Aktivitäten wider. Zu den Höhepunkten gehört ein Clubabend im Rahmen der Yellow Lounge in Schanghai mit Yuja Wang – als Teil einer Asientournee mit Kammermusikkonzerten in Japan und Aufführungen mit dem Seoul Philharmonic Orchestra.
Seit der Saison 2020/21 steht Ottensamer als Dirigent auf dem Podium und ist bereits sehr gefragt. Er lieferte elektrisierende Auftritte mit dem Armenischen Staatlichen Sinfonieorchester und gab sein Debüt in Großbritannien als Gastdirigent des Bournemouth Symphony Orchestra.
Weitere Engagements führen ihn u.a. zum Tokyo Symphony Orchestra, dem MDR Sinfonieorchester Leipzig, dem Kammerorchester Basel, dem Sinfonieorchester Basel, dem KBS Symphony Orchestra und dem Orquestra Gulbenkian in Lissabon.
Im August 2021 wurde der Künstler mit dem Neeme Järvi Preis der Gstaad Festival Conducting Academy ausgezeichnet.
Ottensamer ist künstlerischer Leiter des Bürgenstock Festivals in der Schweiz. Zu seinen künstlerischen Partnerschaften als Kammermusiker gehören Arbeiten mit Yuja Wang, Seong-Jin Cho, Lisa Batiashvili, Patricia Kopatchinskaja, Phillippe Jaroussky, Gautier Capuçon und Sol Gabetta.