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Monologische Erkundungen am Cello – Anja Lechner mit Werken von Bach, Abel und Hume

Anja Lechner
ECM Records
17.10.2024
Anja Lechner hat von Beginn ihrer Karriere an einen Gestus des Neugierde und Offenheit gepflegt. Klassisch ausgebildet, befasste sie sich schon früh mit Improvisationskunst und übte sich in der Rolle der Grenzgängerin. Dass ihr auf diesem Weg Hindernisse begegneten, hat sie dabei nie geleugnet. Gegenüber dem “Alpenfeuilleton” bemerkte sie einmal, dass man ein klassisches Werk “monatelang üben” könne. In der Improvisationskunst hingegen entstehe “alles aus dem Moment heraus”. Die wichtigste Fähigkeit auf beiden Feldern sei es jedoch, “im entscheidenden Moment fliegen zu können”. 
Diese Fähigkeit, loszulassen, sich der Musik anzuvertrauen, ja sich ganz an sie zu verlieren, konnte Lechner schon in zahllosen ECM-Alben unter Beweis stellen, ob sie sich dabei nun improvisatorisch betätigte oder notierte Musik nachschuf. Jetzt unternimmt sie ihre erste Solo-Reise in der New Series und präsentiert dabei ein Programm mit notierter Musik, dem sie mit ihrer improvisatorischen Spielweise besondere Akzente verleiht.  
Buntes Programm    
Dazu greift sie auf Repertoire von Johann Sebastian Bach, Tobias Hume und Carl Friedrich Abel zurück. Die beiden Suiten Nr. 1 in G-Dur (BWV 1007) und Nr. 2 in d-Moll (BWV 1008) aus Bachs berühmtem Zyklus für Violoncello solo dürfen als Klassiker der virtuosen Cello-Literatur gelten. Dagegen genießen die für die Gambe komponierten Arbeiten von Tobias Hume und Carl Friedrich Abel einen deutlich geringeren Bekanntheitsgrad in der Musikwelt. Aber genau in dieser Schatzhebung liegt der Reiz des neuen Albums von Anja Lechner, die bei dem schottischen und deutschen Gamben-Komponisten poetische Klangbilder von solch ausgesuchter Schönheit und Farbigkeit entdeckt, dass man nurmehr staunen kann. 
Tobias Hume, der um 1569 zur Welt kam und 1645 in London verstarb, verdiente seinen Lebensunterhalt als Soldat. Seine Leidenschaft galt der Musik. Der Gambist veröffentlichte zwei Sammelbände mit eigenen Kompositionen. 
Humor und tiefer Ernst 
Anja Lechner spielt Miniaturen aus dem 1605 veröffentlichten Band “The First Part of Ayres”. Die aphoristischen Charakterstücke bestechen durch ihren freiheitlichen Atem, ihre stete Tanzbereitschaft und ihren unvergleichlichen Witz und Charme. Lechner lässt sie lustvoll, in verspielt-improvisatorischer Manier, erklingen. Nicht jedoch, ohne ihre diskret sich Geltung verschaffende, melancholische Seite zu verkennen. Hume besaß das seltene Talent, frivolen Humor und tiefen Ernst in seiner Musik kongenial miteinander zu verbinden. 
Elaborierter, in ihrer Struktur komplexer und schwerer fassbar wirken im Vergleich dazu die Stücke des 1723 in Köthen geborenen und 1787 in London gestorbenen Tonschöpfers Carl Friedrich Abel, der als einer der letzten großen Gambisten in die Musikgeschichte einging. Anja Lechner präsentiert uns mit dem Arpeggio und dem Adagio in d-Moll zwei Stücke des Komponisten, die durch ihr breites Spektrum an Klangfarben und ihre mannigfaltigen Stimmungslagen beeindrucken.
Es spricht für sich, dass Abels Werke fast nahtlos zu den beiden meisterlichen Suiten von Bach überleiten. Mit ihnen, die Lechner in vollendeter Reife vorträgt, untermauert die große Cellistin eindrucksvoll ihre Fähigkeit, “im entscheidenden Moment fliegen zu können”.

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