Die Verwandlungen der
Netrebko sind ein Faszinosum. Die charismatische Diva, weltweit bewundert für ihre unübertroffene Gesangskunst, weiß selbst ihr engstes künstlerisches Umfeld immer wieder zu überraschen. “Sie ist nie langweilig”, so der russische Dirigent
Valery Gergiev, einer ihrer frühesten Mentoren, der in einer TV-Doku ihre “unglaubliche Fähigkeit” hervorhebt, “sich zu verwandeln”. Der Wechsel vom lyrischen ins dramatische Fach hat die Sängerin indes auch selbst überrascht. Sie ahnte zwar, dass er irgendwann ansteht, aber er setzte früher ein, als sie gedacht hätte. Nach der Geburt ihres Sohnes im Jahr 2008 begann ihre Stimme eine dunklere Tönung anzunehmen, und seit etwa zehn Jahren trägt sie dieser Entwicklung künstlerisch Rechnung und beschert dem Publikum ein Rollendebüt nach dem nächsten, darunter furiose Auftritte als Turandot und Lady Macbeth in München und als Elsa in Dresden.
In ihrer Diskografie bildete das grammy-nominierte Solo-Album “
Verismo” (2016) bislang den Höhepunkt dieser Entwicklung, die das Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung wie folgt auf den Punkt brachte: “In ihrer jetzigen stimmlichen Verfassung ist sie wirklich die Primadonna assoluta unserer Zeit.”
Anna Netrebkos erstes Soloalbum seit fünf Jahren
Jetzt legt sie mit einem neuen Album nach, das eindrucksvoll ihren Anspruch untermauert, im Leben nie stehen zu bleiben und ihren sängerischen Horizont fortwährend zu erweitern. “
Amata dalle tenebre” ist das erste Soloalbum der Sängerin seit fünf Jahren. Aufgenommen hat sie es im prächtigen Auditorium der Mailänder Scala, begleitet vom dortigen
Orchestra del Teatro alla Scala, das der Sängerin unter der Leitung von
Riccardo Chailly einen komfortablen Klangteppich ausbreitet. Darauf kann sie ihre hohe Gesangskunst spürbar frei entfalten. Mit ikonischen Sopran-Arien von
Verdi,
Wagner,
Strauss,
Puccini,
Cilea,
Tschaikowsky und
Purcell präsentiert sie ein sängerisch wie emotional überwältigendes Ausdrucksspektrum.
Zu den Highlights des Albums, das mit zahlreichen Debüteinspielungen aufwartet, gehören die dramatischen Arien von
Richard Strauss und
Richard Wagner. Die erhabene Sehnsucht der Ariadne, der es nach Erlösung von weltlichem Schmerz verlangt, verkörpert sie in der Strauss-Arie “
Es gibt ein Reich” mit allen Fasern ihres Wesens. Bei Wagner wiederum imponiert ihre Souveränität. Wenn sie als Elsa den Traum vom rettenden Ritter träumt oder sich als Isolde der aus Liebe geborenen Todessehnsucht hingibt, dann tut sie dies mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit. Diese geschmeidige Aneignung gilt auch für den hochverletzlichen Ton, den sie in Dido’s Lament von
Henry Purcell anschlägt, ihrem ersten Barockstück in englischer Sprache, das ihre Diskografie um eine wesentliche Trouvaille bereichert.
Neuer Musikfilm macht Netrebkos Leidenschaft visuell erlebbar
Aber auch als hoffnungstrunkene Madame Butterfly oder als inbrünstig flehende Aida ist Anna Netrebko, die kürzlich ihren 50. Geburtstag feierte, in ihrem leidenschaftlichen Element. Wer diese Leidenschaft nicht nur hören, sondern sie auch visuell erleben möchte, der sei auf die Deluxe-Version des Albums verwiesen, der mit “Anna – Stage of Emotions” ein künstlerisch wertvoller Musikfilm von Elena Petitti di Roreto beiliegt.