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Wahnsinn und Schönheit

05.12.2007
Das Publikum der New Yorker Metropolitan Opera ist bekannt dafür, anspruchsvoll zu sein. An einem Haus, das für jeden Sänger zum Gipfelpunkt der Karriere zählt, ist der Standard hoch, und so war es auch für die Aufsteigerin des Opern-Segments unserer Tage Anna Netrebko ein Prüfstein ihrer Kompetenz. Spätestens nach der Wahnsinnsszene im zweiten Akt von Vincenzo Bellinins “I Puritani” war klar, dass sie es geschafft hatte, die Menschen für sich zu gewinnen. Minutenlanger Applaus sorgte für eine Unterbrechung der Begeisterung, die den Einstand der jungen Russin an der Met gebührend feierte. Nun ist die umjubelte Inszenierung auch für den Rest der Welt nachvollziehbar, als DVD in gewohnt brillanter Bild- und Tonqualität.
Vincenzo Bellini (1801–35) war ein verhaltener Revolutionär. Der Maßstab seiner frühen Schaffensjahre hieß Gioacchino Rossini, dessen farbenreiche Opern die Musikwelt seiner italienischen Heimat verzückten. Auch der junge Mann aus dem sizilianischen Catania ließ sich zunächst davon begeistern. Seine ersten kompositorische Versuche Mitte der 1820er Jahre waren noch deutlich von dem dominanten Belcanto-Vorbild beeinflusst. Allerdings wiesen sie bereits genug Eigenständigkeit auf, um findige Impressarios auf den Newcomer aufmerksam zu machen. Bellini erhielt den Auftrag, ein Werk für die Mailänder “Scala” zu schreiben. Er entwarf “Il Pirata”, die Premiere an dem renommierten Haus im Oktober 1827 galt als Durchbruch eines neuen Stils und beförderte den jungen Mann in die erste Liga der zeitgenössischen Opernprofis.

In Mailand lernte er auch Felice Romani kennen, einen Shakespeare-ergebenen, den klassischen Idealen der Sprachformung eines Pietro Metastasio verpflichteten Librettisten, der von da an fast alle Textbücher für Bellini schrieb. Es war vor allem dessen Liebe zur poetischen Sprache, die den Komponisten wiederum veranlasste, einen Stil zu entwickeln, der nach dem Prinzip “eine Note, eine Silbe” sich von den überbordenden Verzierungen der Rossini-Schule entfernte.
 
Textverständlichkeit bei gleichzeitiger Schönheit der Musik – damit veränderte Bellini die Idee der Belcanto-Oper und öffnete bereits die Tür zum Verismo eines Verdi, wenn auch die Stoffe wie etwa in “I Puritani di Scozia”, zu dem nicht Romani, sondern Carlo Pepoli das Libretto geschrieben hatte, noch der historischen Moden verpflichtet waren. Die Oper wurde im Januar 1835 im Pariser “Théâtre Italien” uraufgeführt. Ihre Geschichte spielte zur Zeit Cromwells in England. Grundlegende Konstellation ist die Liebe zwischen dem königstreuen Arturo und der Puritanertochter Elvira, die außerdem von Riccardo verehrt wird. Die Beziehung bekommt einen vehementen Dämpfer, als Arturo sich in Ränkekämpfen um die Frau Enrichetta des hingerichteten Stuart-Königs engagiert. Elvira deutet das als Untreue, wird fast wahnsinnig, bis im dritten Akt sich die Verstrickungen lösen und nach endgültiger Begnadigung des zwischenzeitlich verurteilten Arturo sich der Spuk in Wohlgefallen auflöst. Die Musik jedenfalls packt durch ihre melodiöse Unmittelbarkeit und Dramatik.

So konnten auch Anna Netrebko (Elvira), Eric Culter (Arturo) und Franco Vassallo (Riccardo) aus den Vollen ihrer Rollen schöpfen und sich im historisierenden Outfit der Produktion von Sandro Sequi in Bestform präsentieren. Patrick Summers leitete das Orchester des Hauses in bester Levine-Tradition schwungvoll und energisch, so dass eine Opernaufführung in Ton und Bild festgehalten werden konnte, die voller Elan die Tradition des Belcantos in die Gegenwart fortführt, ohne sich in der Nostalgie zu verlieren. Beeindruckende Bühnenkunst, ausgiebig und zu Recht mit Applaus bedacht.

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