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Felix Mendelssohns Violinkonzert von Anne-Sophie Mutter

Anne-Sophie Mutter 2011
© Harald Hoffmann/DG
25.02.2009
Man muss schon ein kaltes Herz haben, um bei Felix Mendelssohns „Violinkonzert" ungerührt zu bleiben. Wie er den Melodiebogen des Themas unmittelbar mit dem Orchester verknüpft, so dass man der betörenden Wirkung schon nach wenigen Momenten gar nicht aus kommt, das ist große Kunst des musikalischen Überzeugens – und es hat Anne-Sophie Mutter dazu gebracht, sich dem jugendlichen Werk, das sie selbst einst mit Karajan zusammen aufführte, nun mit der Intensität der Erfahrungen einer Weltklassegeigerin neu zu interpretieren. Es ist außerdem nicht das einzige Meisterstück, das Mendelssohn seiner Nachwelt hinterließ. Von den Sinfonien bis hin zu den „Liedern ohne Worte" gibt es noch viel phänomenale Musik zu entdecken. Ein paar Beispiele.
Bleiben wir noch einen Moment bei Anne-Sophie Mutter. Das Violinkonzert, meint die Künstlerin, sei Kunst, „die alles vereint, was große Musik ausmacht: Leidenschaft, Virtuosität, Reinheit des Ausdrucks, Tiefe der Empfindung, bedingungslose Hingabe an den musikalischen Ausdruck. Es ist ein Geniestreich, diese Musik ist unsterblich". Und sie fordert heraus, ein wenig zu dieser faszinierenden Wirkung beizutragen. Mutter meistert Mendelssohns „Geniestreich" mit betörender Brillanz, unterstützt von Kurt Masur und dem famosen Gewandhausorchester. Aber es ist nicht nur das Violinkonzert, mit dem sie sich dem Komponisten nähert. Zum Konzertanten kommt die Kammermusik in Form des ersten Klaviertrios und der F-Dur Violinsonate von 1838. Bei beiden Stücken steht Mutter ihr früherer Ehemann André Previn am Klavier zur Seite, im Fall des Trios außerdem ergänzt um den Cellisten Lynn Harrell. Ein Team, mit dem ihr eine faszinierende künstlerische Verbeugung voller Kraft und Schönheit gelingt.
Für Mendelssohn-Fans ist es ein Glücksfall, dass unlängst nicht nur Annes-Sophie Mutter, sondern auch ein weiterer Weltklassegeiger sich des „Violinkonzerts" angenommen hat. Anno 2007 gab Daniel Hope seinen Einstand bei der Deutschen Grammophon und rekonstruierte gemeinsam mit dem Dirigenten Thomas Hengelbrock eine Original-Version des Werkes, wie Mendelssohn es geschrieben hatte, bevor er den Ratschlägen des befreundeten Geigers Ferdinand David folgte und Passagen änderte, um es vermeintlich noch wirkungsvoller zu machen. Ähnliches gilt für die Einspielung des famosen Oktetts mit den Mitgliedern des Chamber Orchestra of Europe, die er für seine Aufnahme anhand der kurz zuvor erschienenen revidierten Notenausgabe verwirklichte. Hopes Schwerpunkt liegt auf dem historisch-kritischen und zugleich leidenschaftlichen Zugang zu Mendelssohn, Mutter spielt  das Konzert klar und erfahren und wem das als Alternative noch nicht genügt, der kann außerdem die Version von Janine Jansen in die nähere Wahl ziehen (die Mendelssohn mit seinem großen Bewunderer Max Bruch musikalisch zusammenbringt).
Felix Mendelssohn war ein Genie. Das betont auch der chinesische Klaviervirtuoses Lang Lang. Als dieser sich 2003 an die Einspielung von Tschaikowskys gewaltigen „b-moll-Konzert" wagte, wählte er Felix Mendelssohn als Gegenstück im Programm. Denn dessen „Klavierkonzert Nr.1 g-moll, op.25″ ist filigraner und zurückhaltender konzipiert als das russische Pendant. Und der Kontrast des beinahe ein halbes Jahrhundert früher entstandenen und noch deutlich von Beethoven geprägten Werks zum russisch-virtuosen Muskelspiel macht gerade den Reiz der musikalischen Abfolge von Lang Langs Ausflug in die Pathoswelt des 19.Jahrhunderts aus. Sehr viel verhaltener wiederum präsentiert Daniel Barenboim einen Klassiker der bürgerlich-romantischen Salonmusik, die „Lieder ohne Worte". Die 48 Klavierstücke entstanden zwischen 1830 und 1845, wurden damals in Alben für den Hausgebrauch zusammengefasst und sind doch weit mehr als Unterhaltungsmusik für höhere Töchter. Das beweisen auch die bereits 1973 entstandenen Einspielungen durch den Pianisten und späteren Stardirigenten Daniel Barenboim, die längst zu den Klassikern ihrer Sparte gehören.
Ebenfalls eine vielfach prämierte und hoch gelobte Aufnahmeserie gelang Mitte dieses Jahrzehnts dem Emerson String Quartet. Auf dem Programm standen Felix Mendessohns Streichquartette. Doch genau genommen wäre eine Komplettaufnahme dieser kammermusikalischen Kleinodien unvollständig gewesen, wenn nicht die Werke aus dem direkten Umkreis mit dazu genommen worden wären. Also bereiteten die Musiker des Emerson String Quartetts auch die unter „op. 81/1–4″ zusammengefassten Miniaturen und das „Streichoktett op.20″ vor – und ließen sich nicht etwa von anderen Kollegen helfen, sondern verwirklichten die Einspielung dieses Monuments der klassisch-romantischen Klangkultur im Mehrspurverfahren, die das faszinierende kammermusikalische Oeuvre komplettierte. So sehr sich Mendelssohn mit dem Übervater des Genres Beethoven auseinander setzte, so deutlich wusste er zugleich, seinen eigenen Klangkosmos zu entfalten. Diese besondere Leichtigkeit, diese Mischung aus Jugendlichkeit und Professionalität, Enthusiasmus und genialen Momenten versteht das Emerson String Quartet in den Mittelpunkt zu stellen. Und schon deshalb ist diese Aufnahme einer der Höhepunkte des Mendelssohn-Programms der Deutschen Grammophon.

Wie übrigens auch die Sinfonien. Herbert von Karajan wandte sich den Sinfonien Nr. 4 und Nr. 5 zusammen mit der Hebriden Ouvertüre in einer ebenfalls historisch gewordenen Aufnahme zu und Claudio Abbado fügte seine, frisch im Rahmen von eloquence neu edierte und ebenfalls inzwischen legendäre Deutung hinzu. Obwohl der Komponist selbst nicht wirklich überzeugt von seinen Werken war, erscheinen sie heute als Landmarken der romantischen Orchesterkunst. Für den Sohn aus gutem Hause jedenfalls waren sie nur ein Teil seines umfassenden Schaffensdrangs. Denn er komponierte für nahezu jede mögliche Form in anhaltend hoher Qualität, sorgte als Dirigent und hauptamtlicher Kapellmeister in Leipzig dafür, dass unter anderem Bach wiederentdeckt und Schubert (wie auch Schumann) überhaupt aufgeführt wurden. Zwischendurch leitete er auch eigene Werke an und schrieb, schrieb, schrieb, unablässig bis zu seinem frühen Tod 1847. Die Symphonien, die sich Claudio Abbado gemeinsam mit dem London Symphony Orchestra vornahm, sind Werke eines jungen, weltoffenen und neugierigen Komponisten, der seine Eindrücke versuchte, möglichst treffend in Musik umzusetzen. Und die Einspielungen sowohl unter der Leitung von Herbert von Karajan wie von Claudio Abbado sind wiederum nur ein luzider Teil dessen, was in den Katalogen der Deutschen Grammophon & Co der Entdeckung harrt. Wer da noch ein wenig weiter forschen will, hier führt der Weg dorthin: www.deutschegrammophon.com
Mehr Informationen zu den genannten Künstlern finden Sie wie gewohnt auf unseren Künstlerseiten auf KlassikAkzente
 

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