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Der unbekannte Vivaldi

09.01.2008
Es hat eine Weile gedauert, bis die Musikwelt akzeptiert hat, dass Antonio Vivaldi nicht nur der Schöpfer großartiger Instrumental- und Orchesterwerke war, sondern auch auf dem Gebiet der Vokalmusik Herausragendes geleistet hat. Inzwischen gehört diese Erkenntnis zu den Topoi der Barockrezeption und gespannt warten nicht nur die Freunde der Alten Musik darauf, was die Spezialisten so allen aus den Archiven zutage fördern. Zu den besonders agilen Persönlichkeiten dieser Szene gehört der Cembalist und Orchesterleiter Andrea Marcon, der bereits an mehreren spektakulären Neuaufnahmen wie etwa der Oper “Andreomeda Liberata” beteiligt war. Gemeinsam mit der Sopranistin Simone Kermes machte er im vergangenen Jahr mit “Amor Sacro” auf sich aufmerksam. Nun folgt die Fortsetzung des hochgelobten Projektes, die Sammlung “Amor Profano”, eine Sammlung mit “Unkown Vivaldi Hits” aus verschiedenen Schaffensperioden des Komponisten.
Als Anfang vergangenen Jahres die Zusammenstellung Amor Sacro die Runde machte, war international viel Lob zu lesen. Denn tatsächlich dokumentierte diese Kooperation von Andrea Marcon, dem Venice Baroque Orchestra mit der Leipziger Sopranistin Simone Kermes einen bisherigen Höhepunkt der gemeinsamen Arbeit, den das Fachmagazin “Das Opernglas” in seiner Märzausgabe folgendermaßen umschrieb: “Simone Kermes zelebriert das alles genüsslich mit hoher vokaler Flexibilität, sicherer, rhythmisch präziser Intonation selbst im haarsträubendsten Koloraturfeuerwerk und vollem, farbenreichem Ton. Das Venice Baroque Orchestra musiziert unter der Leitung von Andrea Marcon mit gleichem hingebungsvollem Einsatz wie die Solistin und fesselt vom furiosem Beginn an den Hörer durch dynamisches, facettenreiches, quicklebendiges Spiel und ein breites Spektrum schillernder Farben: eine kongeniale gegenseitige Ergänzung”. Daran hat sich auch für “Amor Profano” wenig geändert, mit der Ausnahme vielleicht, dass noch ein wenig mehr Feuer hinzu gekommen ist.

Denn im Unterschied zu den geistlichen Arien der voran gegangenen Edition sind es diesmal Vokalstücke aus weltlichem Zusammenhang, die zumeist zu verschiedenen Karnevals-Jahrgängen komponiert worden waren, die traditionell in den italienischen Großstädten ihrer Zeit wie Venedig, Rom, Mantua oder Verona ausgiebig gefeiert wurden. Die in der Chronologie früheste Arie “Ah, fuggi rapido” stammt aus dem Jahr 1713/14 aus der Oper “Orlando furioso”, die noch in Zusammenarbeit Vivaldis mit seinem Kollegen Giovanni Alberto Ristori entstanden war. Das Spektrum reicht bis “Se in campo armato” aus dem Jahr 1737 und dem Bühnenwerk “Catone in Utica”. Es umfasst Ausschnitte aus erhaltenen Opern, aber auch Vokalstücke, die sich wie “La farfalletta audace s’invola” keinem Opus mehr eindeutig zuordnen lassen.

Wieder fasziniert das farbenreiche Zusammenspiel der Leipziger Sopranistin und Fischer-Dieskau-Schülerin Simone Kermes, die seit dem ersten Platz beim Mendelssohn-Wettbewerb 1993 in Berlin sich Schritt für Schritt ihren Platz in der Welt der Stimmen erarbeitet hat, und von Andrea Marcon und dem Venice Baroque Orchestra, das spätestens seit den Aufnahmen mit dem Stargeiger Giuliano Carmignola zu den renommiertesten Ensembles seines Fachs gehört. Betreut und ediert unter Marcons Ägide entstand auf diese Weise im Winter 2006 im Gustav-Mahler-Saal in Toblach ein musikalisches Dokument, das für das Verständnis von Antonio Vivaldi als Vokalkomponisten neue Türen öffnet.

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