Avi Avital ist ein beeindruckend vielseitiger Interpret, der in der Vergangenheit immer wieder eine erstaunliche Fülle an Klangfarben aus seiner Mandoline gelockt hat. Für sein neues Album hat er nun jedoch Musik ausgewählt, die nicht erst arrangiert oder bearbeitet wurde, sondern tatsächlich für sein Instrument geschrieben worden ist. Dieser intensive und persönliche künstlerische Blick auf die Mandoline steckt voll authentischer Begeisterung für die Musik. Avi Avital lotet die klanglichen und emotionalen Ausdrucksmöglichkeiten seines Instruments mit den Aufnahmen für “Art of the Mandolin” aus und gibt damit zugleich reizvolle Einblicke in ein relativ unbekanntes Repertoire.
Auf seiner Reise durch die Klangwelt der Mandoline wird Avi Avital begleitet von vielen fachlich versierten Kollegen, wie seinem Mandolinisten-Kollegen Alon Sariel, dem Venice Baroque Orchestra, der Harfenistin Anneleen Lenaerts, dem Gitarristen Sean Shibe, dem Cembalisten Yizhar Karshon und Ophira Zakai an der Theorbe. Die Musiker teilen Avi Avitals Liebe zum Detail und seine Begeisterung für eine historisch informierte Aufführungspraxis, die sich den Werken mit viel Fingerspitzengefühl und großem Interesse nähert. Diese intensive Auseinandersetzung durchdringt sämtliche Aufnahmen.
Die Stücke spannen musikhistorisch einen Bogen von Antonio Vivaldi bis ins Hier und Jetzt. Vivaldis Konzert für zwei Mandolinen, Streicher und basso continuo eröffnet das Album mit barocker Eleganz und Lebendigkeit. Spritzig, virtuos und mit betörender Leichtigkeit laden die Musiker die Ohren ins frühe 18. Jahrhundert ein. Für Avi Avital sind Vivaldis Kompositionen das “Alte Testament” seines Instruments und das kann man hören. Hier ist jeder Ton am richtigen Platz, jede Nuance perfekt ausgespielt, ohne dabei die Spielfreude zu verlieren. Auch in Domenico Scarlattis d-Moll Sonate für Mandoline und basso continuo explodieren die Farben der barocken Klanggestaltung. Genau genommen sind die Sonaten von Domenico Scarlatti ursprünglich für Tasteninstrumente entstanden. Da im Barock allerdings die Mandoline zunehmend in Mode kam, wurden die Werke von den Solisten selbst entsprechend eingerichtet, wodurch reizvolle Varianten entstanden, die heute in das Repertoire jedes Mandolinisten gehören.
Zu Beethovens Lebzeiten wurden die vier bis heute erhaltenen Werke für Mandoline nie veröffentlicht. Er komponierte die Stücke für Comtesse Josephine von Clary-Aldringen, die damals eine bekannte Sängerin und Mandolinenspielerin war. Auf Avi Avitals Album “The Art of the Mandolin” ist das Adagio in Es-Dur im Duo mit Anneleen Lenaerts an der Harfe purer Seelenbalsam. Die Klänge der beiden Instrumente ergänzen sich so organisch, dass sie scheinbar miteinander verschmelzen.
Mit “Carillon, Récitatif, Masque” aus der Feder von Hans Werner Henze und einer Sonate des israelischen Komponisten Paul Ben-Haim für Mandoline, Gitarre und Cembalo schlägt Avi Avital die Brücke ins 20. Jahrhundert und kehrt zugleich zu seinen eigenen Wurzeln zurück. Atmosphärisch dicht und märchenhaft, dann wieder rhythmisch und schwindelerregend virtuos – so kann Avi Avital alle Facetten seines Könnens zum Ausdruck bringen. Die beiden Werke “Death is a Friend of Ours” des britischen Komponisten David Bruce und Giovanni Sollimas “Prelude for Solo Mandolin” runden das Programm ab und zeigen, dass die Mandoline im Spannungsfeld zwischen Vivaldis Schaffen und der zeitgenössischen Musik in jeder Sekunde quicklebendig ist – und dass ihr Repertoire in jeder Epoche viele zutiefst beglückende und reizvolle Schätze bereit hält, die Avi Avital mit seinem Album meisterhaft zum Leuchten bringt.