“Die Siebente ist mir eigentlich näher als die Erste oder Fünfte; und was die Achte angeht …”, räsonniert Riccardo Chailly über die zehn Symphonien von Gustav Mahler und präsentiert uns die Vierte.
Als Riccardo Chailly 1953 geboren wurde, läutete Lenny Bernstein erst in Tanglewood, bald auch auf seinen Reisen durch die internationalen Konzertsäle die große Mahler-Renaissance ein. Mit seinen flammenden Interpretationen, die er immer auch außerhalb des Konzerts wortgewandt unterstützte, zeigte er dem Konzertpublikum, dass Mahler, wie er es nannte, “die musikalische Zukunft bereits vorweggenommen” hatte. Und das Publikum ließ sich anstecken: Die Europäer zeigten sich neu fasziniert von Mahlers Klangwelten, und die Amerikaner entdeckten ihren ehemaligen Operndirektor der New Yorker Met als Symphoniekomponisten.
Mit der Komplettierung seiner Mahler-Serie lässt sich Riccardo Chailly Zeit, und das zahlt sich aus: Seine Einspielung der Symphonie Nr. 1 wurde von “Gramophone” als die frischeste, differenzierteste Aufnahme seit Jahren gefeiert, Mahlers Fünfte erreichte ungeahnte Verkaufszahlen. Nach den Veröffentlichungen der Symphonien Nr. 1, 5, 6, 7 und 10 folgt nun die 4. Symphonie in G-Dur, gekoppelt mit den “Sieben frühen Liedern” von Alban Berg. Gustav Mahler, der seit 1888 verschiedene Opernhäuser leitete – Budapest, Hamburg und ab 1897 die Wiener Hofoper – komponierte hauptsächlich im Sommer, wenn die Theater Ferien machten. So entstand auch die 4. Symphonie während zweier Sommer, 1899 und 1900, in seinem Urlaubsrefugium in Maiernigg am kärntne-rischen Wörthersee. Wellengekräusel auf dem See, hoch stehende Wiesen und die gletschergeschliffenen Hügel trugen sicher ihren Teil zu einer ganz greifbaren Vorstellung vom Paradies bei: Die Symphonie gipfelt in dem Orchesterlied “Das himmlische Leben” (gesungen von Barbara Bonney) aus der Volksliedsammlung “Des Knaben Wunderhorn,” und auf diese kindhaft-bäuerliche Beschreibung des Paradieses sind alle drei vorangehenden Sätze bezogen. Einfache Formen, die das Premierenpublikum 1901 in München abschreckten und heute den ganz besonderen Reiz dieser Symphonie ausmachen. Bernsteins Mahler-Einspielungen waren lange Zeit die einzigen Referenz-Aufnahmen. Chaillys Mahler-Zyklus ist dabei, Lenny den Rang streitig zu machen.