Sie war die geborene Sängerin. Schon als Kind wusste sie, dass sie nie etwas anderes werden will. “Bei jeder Sternschnuppe, die fiel, wünschte ich mir, eine große Sängerin zu werden”, so Birgit Nilsson in einem bewegenden Interview mit Dieter David Scholz.
Vorgezeichnete Weltkarriere: Birgit Nilsson (1918–2005)
Erste Bühnenerfahrungen sammelt die junge Schwedin, die auf einem Bauernhof im beschaulichen Süden ihres Landes aufwächst, in Stockholm, wo sie 1946 als Agathe in Webers Freischütz debütiert und ein Jahr später als Lady Macbeth in Verdis Macbeth erstmals öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zieht. Eigentlich drängt es die junge Sängerin, die in den Anfangsjahren ihrer Karriere auf das jugendlich-dramatische Fach und lyrische Rollen konzentriert ist, nicht ins Ausland.
Aber nachdem sie 1955 bei den Münchner Opernfestspielen den Ring mit allen Brünnhilden gesungen hat, macht die Nachricht von einer begnadeten dramatischen Sopranistin in der internationalen Opernszene blitzschnell die Runde und eine Weltkarriere wird unumgänglich. Nilsson zeigt eine ungeheure Bühnenpräsenz und wird das Publikum mit ihrer enormen Stimmkraft an allen großen Häusern der Welt fortan in Bann ziehen. Dabei verbindet sich ihr energisches Charisma stets mit berührender Verletzlichkeit, was sie für starke Frauenrollen prädestiniert.
Wagner-Ikone mit Weitblick: Auch Verdi-Rollen und Turandot
Brünnhilde oder Isolde, die großen dramatischen Wagner-Rollen, sind ihr wie auf den Leib geschneidert. Hier kann sie ihrer kraftvollen Natur, ihrer sängerischen Klasse und ihrer emotionalen Feingliedrigkeit gleichermaßen Geltung verschaffen. Aber Birgit Nilsson ist weit mehr als eine Wagner-Ikone. Sie weiß auch in Verdi-Rollen zu überzeugen und löst auch als Turandot Begeisterung aus. “Sie war vokal grandios”, so der Schriftsteller Joseph Wechsberg 1960 in der Zeitschrift Opera – “Ich glaube nicht, dass es je eine Sängerin ihresgleichen gegeben hat.”
Die jetzt mit Blick auf ihren 100. Geburtstag am 17. Mai 2018 erscheinende Mammut-Ausgabe trägt der Vielseitigkeit dieser Sängerin beeindruckend Rechnung. Zwar sticht in der noblen Ausgabe Nilssons Wagner-Expertise deutlich hervor, aber man darf sich auch auf Verdi, Puccini, Mozart und Beethoven freuen, die sie ebenfalls tief durchdrang. Dass Richard Strauss eine wichtige Rolle in der Ausgabe einnimmt, versteht sich von selbst.
Noble Edition: Berührendes Portrait einer großen Künstlerin
Nilssons Elektra oder Salome waren von wagnerischem Furor, und es ist ein Hochgenuss, die legendären Aufnahmen mit Georg Solti jetzt wieder hören zu dürfen, präsentiert in einer glänzenden Edition, die zu einem berührenden Portrait der Nilsson gerinnt. “La Nilsson – Complete Decca, Philips & Deutsche Grammophon Recordings” umfasst insgesamt 79 CDs und 2 DVDs. Die Ausgabe enthält unfassbare 27 Opern in voller Länge. Wagners kompletter Ring kommt, neu remastered, gleich zweimal vor:
Einmal mit Böhm und einmal mit Solti, dessen legendärer Zyklus in einer der beiden DVDs in seiner Entstehung dokumentiert ist. Die andere DVD zeigt eine denkwürdige Elektra-Produktion an der Met: Nilsson in gänsehautträchtigen Momenten ihrer Karriere. Zu dem überwältigenden Musikschatz gesellt sich ein reich bebildertes, 200-seitiges Buch, das mit vielen bislang unveröffentlichten Fotos aus dem Decca-Archiv aufwartet, unterhaltsame Texte enthält und übersichtlich über die Aufnahmen informiert. Kurz: Eine Edition aus einem Guss!