Wagner war ein Dramatiker par excellence. Wenn er die Mythen- und Sagenwelt durchmusterte, dann suchte er nach Stoffen, die Spannung versprachen und riskante Komponenten des menschlichen Lebens zum Ausdruck brachten.
Dichtender Komponist
Er wurde fündig und schuf als dichtender Komponist Musikdramen, die das Publikum bis heute in ihren Bann schlagen. Bei Wagner geht es um alles oder nichts, um Erlösung oder Untergang, Liebe oder Hass, Herrschaft oder Unterwerfung. Halbe Sachen schätzte der Komponist nicht, und so haben wir es bei ihm stets mit Welten zu tun, die bis zum Zerreißen gespannt sind und nach Auflösung drängen. Das macht den dramatischen Reiz seiner Opernwerke aus. Das verleiht ihnen diese einzigartige Suggestivkraft, die Wagner mit seiner ebenso rauschhaften wie lyrischen Musik genial zu durchdringen wusste.
Weicher Kern
So auch im “Fliegenden Holländer”. Schon die mächtige Ouvertüre mit ihrem Wechselspiel aus wilden Ekstasen und zart gleitender Melodik stimmt den Hörer geschickt auf die Gestalt des Seefahrers ein. Man denkt dabei durchaus an eine raue Gestalt, die sich auf dem Meer behaupten muss, und kann sich gut vorstellen, dass dieser herbe Charakter einen weichen Kern hat, dem es nach Liebe verlangt. Und so ist es ja auch mit dem Holländer, der mit seinem Geisterschiff auf den Meeren der Welt umherirrt, weil er früher einmal darauf bestand, das Kap der guten Hoffnung umsegeln zu können – gegen alle Widerstände, komme, was da wolle.
Mythischer Stoff
Die Strafe folgte auf dem Fuß. Für seine bornierte Entschlossenheit zahlte der Holländer mit lebenslanger Desorientierung. Nur alle sieben Jahre darf er an Land gehen und auf seine Chance hoffen, eine Frau zu finden, die ihn von seiner Qual erlöst. Senta, die Tochter von Daland, trägt schon lange das Bild eines Mannes in sich, der einsam leidet und nur von ihr erlöst werden kann. Eines Tages trifft Daland auf den Holländer, der ihm seine Geschichte erzählt und im Tausch gegen ein Nachtquartier und die Vermittlung einer treuen Frau all seine wertvollen Schätze anbietet. Daland ist von dem Angebot begeistert und denkt an seine Tochter, und als der Holländer schließlich an Land auf Senta trifft, ist sofort klar, dass die beiden schicksalhaft verbunden sind. Doch wie?
Die Traumrolle
Andreas Homoki verlegt das Drama an Land und macht eine Spukgeschichte daraus. Sie spielt im Kontor des Seefahrers Daland (
Matti Salminen). Der Holländer taucht dort in einem langen schwarzen Pelzmantel auf. Die Atmosphäre ist surreal gespannt. Immer wenn der Holländer erscheint, verändert sich das Licht. Von
Bryn Terfel geht dabei eine magische Wirkung aus. Es ist, als ob die Rolle eigens für den walisischen Bassbariton geschrieben worden wäre. Er verkörpert wie selbstverständlich diesen kräftigen, düsteren Typus, der in seiner Verwirrtheit eine rührende Anmut entfaltet.
Doch der Holländer entkommt dem Labyrinth nicht. Er findet nicht wirklich zu Senta, die ja auch noch mit Erik (Marco Jentzsch) liiert ist und in ihrer wahnhaften Leidenschaft von Sopranistin Anja Kampa glänzend gespielt wird. Dazu die atemberaubende Musik von Richard Wagner, die in ihrem erregenden Kontrastreichtum von der Philharmonia Zürich unter Dirigent Alain Altinoglu fulminant dargeboten wird! So entsteht eine dramatische Gesamtatmosphäre, in der das seelische Schicksal des Mannes, der seiner Verdammnis zu entfliehen sucht, in überwältigender Anschaulichkeit greifbar wird.
Vom 5. bis 24. Februar 2015 singt Bryn Terfel, der am 9. November 2015 seinen 50. Geburtstag begeht, die Rolle des Holländers in Covent Garden (London). Am 24. Februar 2015 wird die Aufführung weltweit Live-in-HD ausgestrahlt.