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Musikalischer Seelenbalsam – Das Album “Voice of Hope” von Camille Thomas

Camille Thomas
© Edouard Brane
04.06.2020
Ein sanftes pianissimo, bei dem man kaum zu atmen wagt, unzählige Melodien, die das Herz leuchten lassen und ein butterweicher Klang, der richtig glücklich macht! Dieses Album ist wie das, was in den letzten Wochen oft am meisten gefehlt hat: Eine herzerwärmende Umarmung. Kein flüchtiger Schulterklopfer, kein lässiges Händeschütteln, sondern eine lange und feste Umarmung, die einen unwillkürlich seufzen lässt, weil man die Nähe und den Herzschlag des anderen spüren kann. 
Camille Thomas zaubert bereits mit den ersten Klängen von RavelsKaddish” ein aufrichtiges Lächeln ins Gesicht, denn der sonore Cellosound ihres Stradivari-Instruments “Feuermann” von 1730 verströmt die magische sehnsuchtsvolle Wärme, die nur der Musik und der Liebe innewohnt. Ein “Kaddish” ist ein jüdisches Gebet für einen Verstorbenen, doch auch ohne diesen Kontext zu wissen, transportiert das Stück die ungeheure emotionale Intensität, die auf dem schmalen Grat von Melancholie und Lebensfreude balanciert und damit die menschliche Seele ganz unmittelbar anspricht.
Das ganze Album ist randvoll gespickt mit beispiellosem Charme und Zauber und ist dabei zugleich so herrlich unprätentiös, unverblümt und echt, dass man innerlich freudig jubeln möchte. Hier reichen sich große Virtuosität und echte Musikalität die Hand. Camille Thomas hat gemeinsam mit den Brussels Philharmonic unter der Leitung von Stéphane Denève ein Musikerlebnis geschaffen, das mehr ist, als die Summe der einzelnen Teile. Sie ist nicht ohne Grund seit vier Jahrzehnten die erste Cellistin, die die Deutsche Grammophon exklusiv unter Vertrag genommen hat. Die franko-belgische Künstlerin spielt die 14 Stücke nicht nur mit hervorragender blitzsauberer Intonation und allem, was technisch dazu gehört – sie lässt die Musik aus ihrem Herzen sprechen. Klingt vielleicht kitschig, ist aber so. Der leidenschaftliche und ungekünstelte Erzählwillen der jungen Solistin macht “Voice of Hope” zu einem unvergleichlich schönen Album mit Seltenheitswert.
Camille Thomas vermittelt mit den Werken von Ravel, Gluck, Purcell und der Weltpremiere des Cellokonzertes “Never Give Up” von Fazil Say, Botschaften, die Epochen überspannen und über die universelle Sprache der Musik hinaus einen friedlichen und hoffnungsvollen Blick auf die Welt offenbaren. Der türkische Komponist Fazil Say hat “Never Give Up” als Reaktion auf die terroristischen Attentate von Paris und Istanbul geschrieben und es Camille Thomas gewidmet, die es nach der erfolgreichen Uraufführung nun auch auf ihrem zweiten Album festgehalten hat. 
Lieder, Gebete und Lamenti, wie das berühmte “Kol Nidrei” von Max Bruch, Henry Purcells “When I am laid in earth” und Maurice Ravels “Kaddish”, ergänzen das Programm des Albums um viele weitere vielschichtige musikalische Stimmungen. Die herzergreifende Titelmelodie aus dem Film “Schindlers Liste” entfaltet mit sanfter Wucht ihre bittersüße Schönheit und zuletzt lässt Camille Thomas ihr Instrument mit Donizettis und Bellinis Opernarien “Una furtiva lacrima” und “Casta Diva” so überirdisch strahlend singen, dass man sich bis zur letzten Sekunde an der zauberhaften Klanggestaltung der Cellistin einfach nicht satt hören kann. Es hilft nur eins: beherzt auf “Repeat all” drücken.

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