Carlo Bergonzi | News | Der Verdi-Mann

Der Verdi-Mann

09.07.2004
Vor elf Jahren beendete Carlo Bergonzi offiziell seine Bühnenkarriere. Das letzte große Konzert gab er 1995 in Wien. Seitdem gönnt er sich die Ruhe des Alters, die er sich nach einem knappen halben Jahrhundert auf der Bühne redlich verdient hat. Außerdem gibt es ja das wunderbare Medium der CD, das viele seiner großen Arien in ausgezeichneter Tonqualität wiedergeben kann. So werden anlässlich des 80. Geburtstages des berühmten Tenors gleich zwei Zusammenstellungen veröffentlicht, die an die goldenen Jahre Bergonzis erinnern. Da ist zum einen die 3 CD-Box “Verdi Arias” mit einer chronologischen Auswahl berühmter Arien, zum anderen die Wiederauflage der Erfolgs-LP “Operatic Recitals”, die er 1957 für die Decca aufgenommen hatte.
Seine eigentliche Stimmlage entdeckte Carlo Bergonzi erst beim zweiten Anlauf. Am 13. Juli 1924 im italienischen Vidalenzo geboren, studierte er am Konservatorium von Parma zunächst zunächst das Bariton-Fach. Seine Bühnenpremiere hatte er 1948 daher auch mit der Rolle des Lecce in Rossinis “Il Barbiere Di Siviglia”. Er schlüpfte daraufhin in die Figur des Rigoletto und des Marcel aus Puccinis “La Bohème”, war jedoch nicht zufrieden mit den Resultaten und begann erneut zu studieren. Die Skepsis hatte ihren Grund, denn als er sich auch die höhere Lage des Tenors einließ, hatte er seine wirkliche Stimme gefunden. Sein Debüt im neuen Fach bot er am 12.Januar 1951 in Bari als André Chénier in Umberto Giordanos gleichnamiger Oper. Von da an ging es Schlag auf Schlag. Kurz darauf engagierte ihn der italienische Rundfunk als Gast der Feierlichkeiten zu Verdis Todestag. Seine Stimme erschallte landesweit und wurde begeistert aufgenommen. In den folgenden Jahren sang Bergonzi reichlich Verdi, wurde 1955 nach London und Chicago (“Il Tabarro”, “Cavalleria rusicana”), 1956 schließlich an die Met (“Aida”, “Il Trovatore”) eingeladen. Sein Renommee wuchs beständig, besonders als er an der Seite von Maria Callas in Donizettis “Lucia Di Lammenmoor” brillierte. Bergonzi entwickelte sich zu einem der führenden Tenöre des italienischen Repertoires, sang über 60 verschiedene Partien mit einer stilistischen Bandbreite von Amilcare Ponchielle bis Jules Massenet. Er verfügte über eine ausgefeilte Atemtechnik und eine vokale Farbpalette, die es ihm ermöglichte, sehr unterschiedliche Charaktere dazustellen.
 
Das wird besonders bei der Zusammenstellung der “Verdi Arias” deutlich. Die Aufnahmen entstanden zwischen 1972 und 1974 und präsentieren einen in jeder Hinsicht perfekt phrasierenden und artikulierenden Bergonzi, der sich Oper um Oper den berühmten Tenor-Rollen von Giuseppe Verdi annimmt. Sie sind in chronologischer Reihenfolge angeordnet und dokumentieren auf diese Weise außerdem die gestalterische Entwicklung der Werke, die ja nach Lebensphase des Komponisten bestimmte Charaktere bevorzugte. Bis einschließlich “Il Masnadieri” waren es die tendenziell sanften “tenori di gazia”, dann schrieb Verdi seinem Lieblingssänger Gaetano Fraschini verschiedene Partien des melodramatischen “tenore di forza” auf den Leib. In den späteren Jahren schließlich fanden sich auch Passagen für “tenore lirico” (“La Traviata”) und “lirico-spinto” (“Arnoldo”, “Il Vespri Siciliani”). Für Bergonzi jedenfalls war diese Vielfalt die Gelegenheit, sein erfahrenes Spektrum individuellen Ausdrucks systematisch zu präsentieren. Die bereits 1957 auf dem ersten Höhepunkt seines Ruhm aufgenommene LP “Operatic Recitals” wiederum dokumentiert ihn mit einem Dutzend berühmter Melodien, die über den Verdi-Schwerpunkt hinausreichen. Dort finden sich Arien von Meyerbeer und Giordano, Cilèa und Puccini und zeigen einmal mehr, dass Bergonzi zu den bewegenden Stimmen des vergangenen Jahrhunderts gehört.

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