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Biografie

Chad Lawson
© Shervin Lainez
Chad Lawson ist ein moderner Meister der Neuerfindung. Von seinen kühnen Interpretationen der Klassiker (Bach, Chopin) – die es an die Spitze der iTunes-Charts brachten – bis zum Klavier selbst, das er mithilfe eines iPads neu imaginierte. Dabei schuf er elektronische Loops und sanfte Ambientklänge, die Fans von EDM ebenso begeisterten wie neoklassische Traditionalisten. Später schrieb Lawson Soundtracks für Podcasts, das wegweisende “Lore” etwa und dessen Nachfolger “Unobscured”, und das zu einer Zeit, als die meisten gerade “Serial” entdeckten. (“'Chad Lawson for Lore' erscheint jetzt wie eine eigene kleine Gattung, aber wir wollten einfach etwas Cooles machen und waren zufällig die Ersten”, sagt Lawson mit typischem Understatement.) Tatsächlich gelang dem virtuosen Pianisten und Komponisten all das als unabhängiger Künstler und ohne die Unterstützung eines großen Labels – ständig wechselnd zwischen den Tastaturen: dem Steinway, um Musik zu machen, und dem Mac mini fürs Geschäftliche, für Marketing und Promotion.
Mit seiner EP “Stay”, die am 1. Mai erschienen ist, und dem neuen Album “You Finally Knew”, das im September rauskommt – es sind seine ersten Sammlungen von Musik für Soloklavier bei Decca Records US – hat Lawson einen entspannenden Klangcocktail gemixt, der diesem “Zeitalter der Angst” die Spitzen nimmt. “Es geht um jene Augenblicke, die flüchtig sind, aber die Seele betten, in denen man denkt: Dieser Moment soll bleiben”, sagt Lawson über die EP und den Titeltrack “Stay”, einen Lobgesang auf den inneren Frieden. “Um diesen Ort der Stille, wo Wunden heilen und du neue Kraft schöpfen kannst, um danach in die Wirklichkeit zurückzukehren.” In schweren Zeiten haben Playlists gegen Stress Hochkonjunktur auf Spotify, Apple Music, YouTube und anderen Streaming-Diensten. Aber Dawson meidet Trends, sowohl den zu historischen Instrumenten als auch den der elektronischen New-Age-Klangklischees, die sich heute überall über die Wellness-Musik verbreiten. In den fünf Stücken der EP verlässt er sich ausschließlich auf sein bewährtes Klavier, auf seinen ureigenen emotionalen Sound und seinen eklektischen Geschmack. Vom in sich gekehrten »Stay« bis zur feinstofflichen Schönheit von “Across the Distance” und “Rain” finden diese melodischen und auch heiteren Wiegenlieder ein zartes Gleichgewicht zwischen dem Persönlichen und dem Universellen. Die Stücke sind zwar alle rein instrumental, aber ihre Titel wurden durch die Gedichte von Mary Oliver und Elizabeth Bishop angeregt.
Das kommende Album You Finally Knew ist Lawsons bislang ehrgeizigstes Werk (“Ich wollte ein Album schaffen, das die Leute auflegen, und dann steht die Welt für 45 Minuten still, sie dürfen einfach durchatmen”), und das zeigte sich auch im Aufnahmeprozess. Zum ersten Mal tauschte er sein einfaches Heimstudio in North Carolina mit den Abbey Road Studios in London. Aber die Studios, berühmt durch die Beatles, waren im letzten Jahr nur für zwei Tage frei, und einer davon war Thanksgiving. So blieb Lawson nicht einmal eine Woche, um ein ganzes Album zu schreiben. “Es waren die besten Ferien meines Lebens”, sagt er. “Diese Stücke sind für mich ebenso neu wie für die Hörer, und das gefällt mir.”
Dass seine Musik gerade jetzt Menschen in den USA auf dem Gipfel ihrer Angst vor Corona helfen konnte, macht ihn dankbar. “In meinen Alben geht es immer um das Konzept der Stille”, sagt er. “Ich lade die Menschen ein, sich einen Augenblick Zeit zu nehmen, um wieder zu sich zu finden. Meine Musik soll Ruhe bringen.” Etwas, was die Welt mehr denn je braucht.
März 2020
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