Wenn der Päpstliche Chor – getragen von der außerordentlichen Akustik der Sixtinischen Kapelle – zu singen beginnt, dann wird es ganz still um die Seele. Der Alltagsstress verfliegt. Man findet sich in einer anderen Welt vor. In einem Moment der Innigkeit und Ruhe. Diese Musik wirkt unmittelbarer auf das Innere des Menschen ein. Virtuos und zugleich tiefgründig treten die Kinder- und Männerstimmen in einen innigen musikalischen Dialog. Das geht durch Mark und Bein. Das ist eine Offenbarung, eine Verwandlung, die sich ganz unverhofft vollzieht und selbst Menschen ereilt, die nie zuvor religiöse Neigungen hegten.
Ruhmreiche Geschichte: Der Päpstliche Chor der Sixtinischen Kapelle
Der Päpstliche Chor der Sixtinischen Kapelle ist der älteste Chor der Welt. Er blickt auf eine ruhmreiche, rund 1500-jährige Geschichte zurück, die sich mit Namen wie Giovanni Pierluigi da Palestrina und Gregorio Allegri verbindet. Zu den Kernaufgaben des Chores zählt die musikalische Gestaltung der päpstlichen Liturgie. Bei allen Messen, denen der Papst vorsteht, sorgt das erlesene Ensemble aus Knaben und Männerstimmen für die musikalische Rahmung.
Über diese Hauptaufgabe hinaus betrachtet der Chor es als seine Mission, die Schönheit der geistlichen Musik in die Welt zu tragen. “Unser pflichtschuldiges Streben”, so Chordirektor Massimo Palombella, “gilt hierbei dem Ziel, mit dem überaus reichen kulturellen Erbe der Kirche den Menschen von heute – nicht den der Renaissance – zu erreichen und ihm Wege und Möglichkeiten aufzuzeigen, über den Augenblick, über Raum und Zeit hinaus zu blicken und hierbei vielleicht eine neue Seite seiner selbst zu entdecken.”
Einstimmung auf Weihnachten: Große Renaissancemusik
Dass dies gelingen kann, davon zeugen die beiden Alben, die das römische Gesangsensemble in den zurückliegenden Jahren mit der Deutschen Grammophon produzierte und die weltweit Begeisterung auslösten. Nach “Cantate Domino” (2015) und “Palestrina” (2016) erscheint jetzt die dritte Veröffentlichung aus der erfolgreichen Kooperation mit dem Gelblabel, das wieder seine Technik in der Sixtinischen Kapelle aufbauen durfte und die erhabenen Gesänge des Chores festhielt.
Das neue Album wartet mit besinnlicher Weihnachts- und Adventsmusik auf. Dabei konzentriert sich “Veni Domine” auf gregorianische Choräle und polyphone Musik der Renaissance, darunter Repertoire, das Originalquellen des Vatikans zur Grundlage hat und erstmals der Weltöffentlichkeit präsentiert wird. Die Stimmung auf dem Album ist von atemberaubender Andacht. Wer eine mystische, ebenso geheimnisvolle wie noble Einstimmung auf Weihnachten sucht, der wird hier fündig.
Sensationeller Gastauftritt: Cecilia Bartoli
Überwältigend, mit welcher Leichtigkeit die anmutigen Sopran- und Altstimmen der jungen Choristen über den reifen Stimmen der älteren Sänger schweben und sich sanft mit ihnen berühren. Wie eine ewige Harmonie klingt das, wofür “Canite tuba in Sion” von Palestrina und die erstmals überhaupt aufgenommene Motette “Nasceris, alme puer” von Allegri die vielleicht schönsten Beispiele abgeben. Von geheimnisvoller Strenge dagegen: Der Gregorianische Choral zu Beginn des Albums. Er erfüllt die Sixtina wie ein ferner Klostergesang.
Erstaunlich melodisch: Victorias “O magnum mysterium”, das wie ein harmonischer Rausch auf den Hörer kommt, der mit Pérotins “Beata viscera Mariae Virginis” schließlich eine wahre Kostbarkeit in den Händen hält. Das mittelalterliche Meisterwerk singt die italienische Mezzosopranistin Cecilia Bartoli. Damit ist sie die erste Frau, die der Päpstliche Chor zu einer gemeinsamen Aufnahme in die Sixtina einlädt. Ein großer Moment, dem Cecilia Bartoli mit ihrem warmen Timbre eine ungeheure Würde verleiht.