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Trauer um Christa Ludwig – Ein Nachruf

Christa Ludwig, c Siegfried Lauterwasser/DG
© Siegfried Lauterwasser/DG
27.04.2021
“Ich bin der Welt abhanden gekommen”, war eines der von Christa Ludwig immer aufs Neue berührend und eindringlich vorgetragenen Mahler-Lieder in ihren Recitals. Am 24. April nun ist die große Mezzosopranistin im Alter von 93 Jahren tatsächlich “der Welt abhanden gekommen” und in ihrem Haus in Klosterneuburg bei Wien gestorben. Ein überaus schmerzlicher Verlust und Abschied von einer wunderbaren Sängerin, auch wenn ihr Bühnenabschied 1994 schon lange zurückliegt.
Ich hatte das Glück, sie rund um ihren 90. Geburtstag, zu dem die Deutsche Grammophon eine wunderbare Hommage-Box veröffentlichte, noch einmal näher und persönlicher kennenzulernen. Abgesehen von den hinreißenden Erzählungen über die Arbeit mit ihren 3 Lieblingsdirigenten Böhm, Karajan und – vor allem! – Bernstein, waren es vor allem ihr Witz, ihre scharfe Zunge und ihre klare Position zu kontrovers diskutierten Fragen unserer Zeit, die sie mir so sympathisch machten und menschlich näherbrachten.
In ihrem Wohnzimmer hing ein persönlicher Brief an Sie von Leonard Bernstein an der Wand, jener Dirigent, der ihr wohl musikalisch und menschlich am nächsten war. Und mir ist ihr Satz im Kopf hängengeblieben, dass er der Einzige gewesen sei, um den sie wirklich geweint hätte. Auch in diesem Punkt ist sie mir sehr nahegekommen und ich erinnerte mich an meine Reaktion auf Bernsteins Tod, kurz vor der Präsentation seiner großen Deutsche Grammophon-Hommage auf dem westfälischen Wasserschloss Hugenpoet, die sich damals von einem Tag auf den anderen aus einer Jubel- in eine Totenfeier verwandelt hatte.
Ich habe nicht viele Liveauftritte von Christa Ludwig erlebt, aber von den wenigen haben sich mir zwei unauslöschlich ins Gedächtnis gebrannt: am 28. Januar 1990 sang sie an der Deutschen Oper Berlin Strauss' Klytämnestra, und die Betonung lege ich hier bewusst auf “sang”! Zum anderen das mit “Abschied vom Salzburger Festspielpublikum” überschriebene Recital am 9. August 1993, bei dem sie – natürlich! – Mahlers “Ich bin der Welt abhanden gekommen” sang und diesen wehmütigen Abend im Großen Salzburger Festspielhaus mit dem wunderbar schlichten Wiegenlied von Johannes Brahms und einem endgültigen “Guten Abend, gut' Nacht” beendete.
Zum Glück für uns Nachgeborene hat Christa Ludwig einen reichen Schatz an Aufnahmen hinterlassen, von den Altpartien in Bachs Oratorien und Passionen bis hin zu Bernsteins Tango der Old Lady aus “Candide”. Es fällt mir daher schwer, etwas als das Beste oder Beeindruckendste herauszufiltern. Wenn ich es hier doch tue, dann aus tiefer persönlicher Verbundenheit und Bewunderung gerade dieser Aufnahmen: Brangänes “Einsam wachend” in der Liveaufnahme von “Tristan und Isolde” von den Bayreuther Festspielen 1966 unter der Leitung von Karl Böhm, ihre Kundry in Sir Georg Soltis legendärer “Parsifal”-Aufnahme sowie die beiden Altsoli in Gustav Mahlers 2. und 3. Symphonie: “O Röschen rot” bzw. “O Mensch! Gib Acht!” – beide Aufnahmen unter ihrem Lieblingsdirigenten Leonard Bernstein! Dokumente für die Ewigkeit, in der Christa Ludwig jetzt zuhause ist.
Ein Nachruf von Andreas Kluge.

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