“Wir spielen trotzdem!” – das war die mutige Devise von Christian Thielemann, der mit einem Live-Konzert die diesjährigen, ansonsten rein virtuell abgehaltenen, Bayreuther Festspiele eröffnete. Schauplatz dieses in vielerlei Hinsicht denkwürdigen Konzerts war das Haus Wahnfried, der einstige Wohnort Richard Wagners, von dem aus die kammermusikalisch aufgeführten Werke auf Großleinwände im Garten übertragen wurden. Ein Live-Mitschnitt dieses Konzertereignis wird in Zusammenarbeit mit den Bayreuther Festspielen und BR Klassik nun unter dem Titel “Wagner at Wahnfried” bei Deutsche Grammophon veröffentlicht und dokumentiert eindrucksvoll die intime Wucht und musikalische Tiefe dieser Wagner-Interpretation im Ausnahmejahr 2020. Im deutschsprachigen Raum erscheint das Album bereits am 9. Oktober, ab 23. Oktober ist das Konzert dann auch international als Album sowie als digitales Album erhältlich.
Wagner pur an einem außergewöhnlichen Ort
Auf dem Programm des Konzerts standen Werke von großer Emotionalität und Dramatik, die von Thielemann bewusst für diesen besonderen Anlass ausgewählt wurden. Zu Beginn war mit dem “Siegfried-Idyll” ein Werk zu erleben, das Wagner ursprünglich 1870 als Geburtstagsgeschenk für seine zweite Frau Cosima komponiert und erst viel später einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat. Während das Stück heutzutage meist mit großem Orchester aufgeführt wird, kehrte Thielemann für das Konzert zum kammermusikalischen Klangbild der privaten Erstaufführung zurück. Der zweite Teil des Konzerts wurde von den “Wesendonck-Liedern” bestimmt, die – ursprünglich für Klavier und Gesang gedacht- ebenfalls in kammermusikalischer Besetzung erklangen. Wagner komponierte diese fünf Lieder nach Gedichten von Mathilde Wesendonck zwischen Winter 1857 und Frühjahr 1858 auf dem Höhepunkt seiner Leidenschaft für die Ehefrau seines damaligen Mäzens Otto Wesendonck. Parallel dazu arbeitete er am Libretto zu Tristan und Isolde, seiner berühmten Hymne auf die zerstörerische Kraft der Liebe, und so finden sich in den “Wesendonck-Liedern” mit den Titeln “Der Engel”, “Stehe still!”, “Im Treibhaus”, “Schmerzen” und “Träume” zahlreiche Stimmungen und Gefühlszustände, die die klangvolle Aura der Oper gleichsam vorwegnehmen.
Mit dem Haus Wahnfried fand das Konzert an einem außergewöhnlichen und geschichtsträchtigen Ort in Bayreuth statt, an dem Richard Wagner in den Jahren von 1874 bis 1883 mit seiner Familie lebte. Dabei wurde das gesamte Areal für das Konzert genutzt: während die Musiker im Saal zusammenspielten, verfolgte das Publikum das Konzert im Garten des Hauses via Großleinwände.
Interpretation von großer Dichte
Die außergewöhnlichen Umstände des Konzerts hatten eine sehr konzentrierte und intime Besetzung zur Folge. So musizierten unter Leitung von Christian Thielemann ausgewählte Mitglieder des Bayreuther Festspielorchesters, und war zudem die finnische Sopranistin Camilla Nylund zu Gast, die Wagners “Wesendonck Lieder” interpretierte. Die daraus entstehende Intensität im Zusammenspiel und musikalischen Dialog zwischen den Ensemblemitgliedern spiegelt sich eindrucksvoll auch auf dem Album wieder. Während Nylund mit ihrem lyrisch-dramatischen Sopran die emotionalen Schattierungen und melodischen Wendungen der Lieder hingebungsvoll ausgestaltet, fasziniert das Kammermusikensemble unter der dynamischen Leitung Thielemanns mit einem ebenso transparenten wie leuchtenden Gesamtklang. So sind Wagners Werke durch die ungewöhnliche Besetzung in ganz neuem Licht zu erleben.