Fast jeder träumt von der absoluten Liebe, der bedingungslosen Hingabe und Leidenschaft. Zugleich wissen wir, wie gefährlich diese Liebe ist, wie tief sie in den Abgrund führt, wenn ihr Rausch abgeklungen ist oder sie sich als unmöglich erwiesen hat.
Absolute Liebe: Tristan und Isolde
“Tristan und Isolde” handelt von dieser kompromisslosen Liebe. Wagners Meisteroper entfaltet den Rausch der unaufhaltsamen Leidenschaft, und kein anderer Komponist fokussiert dabei so entschieden auf das geheimnisvolle, das dunkle Moment der Liebe. Der Eros wütet. Es gibt keine Möglichkeit, ihn zu bändigen. Man kann ihm nur folgen, und das tut Wagner. Dabei bedient er sich eines legendären Stoffes, den er selbst zum Libretto umgearbeitet hat. Die Tristan-Geschichte entstammt mit hoher Wahrscheinlichkeit der keltischen Sagenwelt.
Sie handelt von einem Mann, der als Vasall seines Onkels, König Marke, für Cornwall kämpft. Im britischen Unabhängigkeitskrieg gegen Irland tötet Tristan Morold, den Verlobten Isoldes. Dabei verletzt er sich so schwer, dass er glaubt, nur durch die Heilkünste Isoldes gerettet werden zu können. An der Größe des Splitters, den sie aus Morolds Kopf gezogen hat, erkennt Isolde jedoch den Mörder ihres Verlobten. Der Splitter passt genau in die Scharte von Tristans Schwert. Isolde will Tristan töten, doch als er sie anblickt, verliebt sie sich in ihn.
Nächtliche Stimmung: Katharina Wagners Geniestreich
Richard Wagner interessiert sich für die leerlaufende Sehnsucht und irdische Unmöglichkeit dieser Liebe, und
Katharina Wagner hat ein besonderes Gespür hierfür. Die junge Opernregisseurin folgt ihrem Urgroßvater in die dunklen Sphären des Eros. Sie versteht sich meisterhaft auf die nächtlichen Stimmungen des Tristan. Das beweist ihre gefeierte Inszenierung bei den
Bayreuther Festspielen 2015 bereits im ersten Aufzug. “Tristan und Isolde” irren in einem Labyrinth aus Treppen und Geländern herum.
Sie wirken verloren. Sie haben kaum die Chance, sich ruhig zu begegnen, und dadurch wird die Unmöglichkeit ihrer Liebe auf ergreifende Weise anschaulich. Die jetzt erschienene DVD weiß sich der Bühnenbilder von Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert geschickt zu bedienen. Zu den ebenso hochgespannten wie elegischen Klängen des Vorspiels gleitet die Kamera langsam durch das Treppenlabyrinth, und es ist, als ob man ins Unbewusste der Liebenden hinabtaucht, wo Licht und Schatten einander abwechseln.
Wohldosierter Rausch: Klangekstasen mit Christian Thielemann
Wer die DVD schaut, wird auf diese Weise direkt in das Bühnengeschehen verwickelt, und die Musik verstärkt diesen Effekt noch.
Christian Thielemann widersteht der Versuchung, einen Dauerrausch zu erzeugen. Er dosiert das Pathos von Richard Wagner so geschickt, dass man mit Hochspannung der Handlung folgt. Der Maestro erfuhr für sein Dirigat des
Bayreuther Festspielorchesters einhellig Lob aus den Feuilletons. Thielemann ist “vom ersten, pianissimo-bebenden Auftakt der Einleitung an in Spitzenform”, so die
Frankfurter Allgemeine Zeitung.
Nicht minder herausragend sind die Leistungen der Sänger und Sängerinnen. Die dramatische Sopranistin Evelyn Herlitzius singt eine hingebungsvolle Isolde, und Meistertenor Stephen Gould fühlt sich tief in die Psyche Tristans ein, den er bei aller Labilität kraftvoll gibt. Mit Größen wie Georg Zeppenfeld (König Marke) oder Christa Mayer (Brangäne) sind auch die Nebenrollen glänzend besetzt. Ein weiteres Plus der DVD/Blu-ray sind schließlich die inspirierenden Interviews mit Christian Thielemann und Stephen Gould, die einen faszinierenden Einblick in die künstlerische Arbeit an diesem Tristan gewähren.