Die Auseinandersetzung mit dem folkloristischen Erbe Nordeuropas zählte von Beginn seiner Gründung an zu den Grundpfeilern des Danish String Quartet. Neben klassischer Literatur für Streichquartett und Werken zeitgenössischer Musik bildete der Folk seit jeher eine der drei Basen, auf denen sich das Ensemble bewegte. Dabei ging es, wie die vier Streicher selbst betonen, nicht allein um einen “Teil unseres Repertoires”. Es ging um “unsere Identität als Musiker”. Diese Identität speiste sich aus der örtlichen Verwurzelung in Skandinavien genauso wie aus dem Drang nach Internationalisierung und stetiger Erweiterung des musikalischen Horizonts.
Für diesen Gestus steht auch ihr neues Album “Keel Road”, in dem das Spannungsfeld zwischen kultureller Identität und grenzüberschreitendem Austausch programmatische Bedeutung erlangt. Die aktuelle Entdeckungsreise der Gruppe führt quer durch die Nordsee, mit der die vier Streicher urvertraut sind. Zugleich ist dieses Meer für sie der große Sehnsuchtsort, der in die Weite führt, zu neuen Ufern.
Quer durch die Nordsee
Die Nordsee, schreibt die Gruppe im Booklet, sei bekannt für ihre “rasanten Wogen und starken Stürme”. Dennoch hätten “tapfere Seeleute immer wieder diese keel-road” [dt. etwa Kielspur] bereist und so für “einen kontinuierlichen Austausch von Waren, Kultur und Musik” gesorgt. Die Route des Danish String Quartet führt über Dänemark nach Norwegen, zu den Färöer Inseln, nach Irland und England. Zwischen traditionellen Stücken aus den besagten Orten enthält das Album mit dem tänzerisch furiosen “Stormpolskan” des schwedischen Multi-Instrumentalisten Ale Carr auch sanglich und tänzerisch reizvolle Stücke der beiden Mitglieder des Danish String Quartet, Rune Tonsgaard Sørensen und Fredrik Schøyen Sjölin.
Sørensens Komposition “Once A Shoemaker” folgt einer ergreifenden Feldaufnahme des dänischen Volksliedes “En Skomager Har Jeg Været” (Ein Schuster war ich) und reflektiert die Stimmung des Tradionals, das von einem Sänger mit tiefer Inbrunst vorgetragen wird.
Klangliche Reife
Die Anverwandlung gleicht einem melancholischen Tanz, der durch die sorgfältig ausgearbeitete Basslinie und das überraschend sphärisch anmutende, allmählich ausklingende Ende einen besonderen Charme entfaltet. Klanglichen Reichtum verströmt das Album durch die historischen Instrumente, die das Ensemble zur Hand nimmt, als da wären: Spinett, Harmonium, Bass und eine schwedische Holzschuhgeige. Zu den musikalischen Höhepunkten gehören die Stücke des irischen Harfenisten, Barden und Komponisten Turlough O’Carolan (1670–1738), vor allem das durch seine einfache Nachdenklichkeit und idyllische Aura berührende “Mabel Kelly”.
“Keel Road” ist nach “Wood Works” und “Last Leaf” das dritte Folk-Album des Danish String Quartet. Was es auszeichnet, ist die klangliche Reife, die das Ensemble im Laufe der Jahre gewonnen hat. Womöglich wirkt hier auch die fünfteilige PRISM-Reihe nach, in der sich die Gruppe zuletzt jahrelang intensiv mit Beethovens späten Streichquartetten, komplexen Bach-Fugen und atmosphärisch ähnlich gelagerten Werken avantgardistischer Komponisten befasst hatte.