David Garrett stellte im November 2007 mit “Virtuoso” sein erstes Klassik-Crossover-Album in Deutschland vor. Kaum jemand kannte den 27-jährigen Geiger damals. Schon wenige Monate später zieht sein Name Hunderttausende in restlos ausverkaufte Hallen. Garretts Image als Klassik-Rebell mit dem rauen Sex-Appeal eines Rockers und der Ausdruckstiefe eines hochsensiblen Virtuosen kommt an.
In der Wahrnehmung der breiten Öffentlichkeit scheint sich der Erfolg des Newcomers plötzlich und mühelos einzustellen. In wenigen Jahren steigt David Garrett zu den prominentesten Menschen Deutschlands und auch international zum Star auf. Sogar der Schritt ins Kino gelingt ihm. 2013 spielt er die Hauptrolle in
“Der Teufelsgeiger”, einer aufwendig produzierten Verfilmung des Lebens von Niccolo Paganini. Sehen Sie hier den
Trailer zu “Garrett vs Paganini”.
Laufbahn als Wunderkind
Der Grundstein für die Erfolgsgeschichte von David Garrett wurde früh gelegt: Dass er schon zehn Jahre vor dem Erscheinen von “Virtuoso” auf eine erste Karriere als musikalisches Wunderkind zurückblickte, die er aufgegeben hatte, um selbstbestimmt seinen eigenen Weg einzuschlagen, ist weniger bekannt. Diesem frühen Lebensabschnitt und sämtlichen Aufnahmen des Ausnahmegeigers, die damals entstanden sind, ist die neue 5CD-Edition “David Garrett – The Early Years” gewidmet.
Wunderkind. Der Begriff wirft viele Fragen auf. “Musik ist höhere Offenbarung als alle Weisheit und Philosophie”, formulierte Ludwig van Beethoven. Besitzt das Kind die geistige Reife und seelische Tiefe, einem Meisterwerk der Klassik als Interpret im Sinne Beethovens gerecht zu werden? Beim jungen David Garrett waren sich alle einig, Eltern, Lehrer, Kollegen, Fachleute und Publikum: Sein Spiel klang nicht wie das eines Kindes. Yehudi Menuhin erkannte in dem Knaben den “größten Violinisten seiner Generation”.
In Aachen als Sohn deutsch-amerikanischer Eltern geboren, begann David Garrett mit vier Jahren, Geige zu spielen. Mit zehn gab er sein erstes öffentliches Konzert mit den Hamburger Philharmonikern. Im Alter von 13 nahm ihn die Deutsche Grammophon als jüngsten Exklusivkünstler ihrer Geschichte unter Vertrag. Die nächsten vier Jahre verbrachte Garrett im Studio, übend und auf Konzertreisen in große europäische Städte und nach Japan. Er spielte mit bedeutenden Orchestern und großen Dirigenten wie Zubin Mehta, Giuseppe Sinpoli, Herbert Blomstedt und Charles Dutoit, um nur einige zu nennen.
Frühe Aufnahmen: 1995 – 1997
David Garretts Debütalbum erscheint im Oktober 1995. Das junge Talent begeistert die Fachwelt mit glänzenden Darbietungen von Beethovens Violinsonate Nr. “Frühlingssonate”, J.S. Bachs D-moll-Partita und Mozarts Adagio KV 261. “Wenigstens ein Phänomen muss dieser junge Geiger genannt werden”, schwärmt Musikkritiker Wolf-Eberhard von Lewinski, “Ich bin gespannt auf die anstehende Mozart-Konzertaufnahme mit Abbado”, schreibt der Rezensent von Gramophone.
Das Album mit den Violinkonzerten Nr. 4 und 7 und der Violinsonate in B-Dur von Mozart, aufgenommen 1994/1995 während einer Italien-Tournee mit dem Chamber Orchestra of Europe und Dirigent Claudio Abbado, erscheint schon wenige Wochen später. “[Garretts] Spiel mit seinem vollem Klang und einem intensiven Vibrato klingt nicht wie das eines 15-Jährigen”, urteilt das BBC Music Magazine.
Zum Zeitpunkt der zwischen Garretts Management und Deutsche Grammophon getroffenen Vereinbarung, die nächste Aufnahme den 24 Capricen von Niccolo Paganini zu widmen, beherrscht der junge Geiger erst drei der technisch höchst anspruchsvollen Stücke. Bis zur anberaumten Aufnahmesitzung bleiben ihm gerade einmal zwei Monate. Garrett geht für das Album an seine körperlichen Grenzen und manchmal sogar darüber hinaus, zieht sich einen Bandscheibenvorfall zu. Schließlich liefert er begleitet von Pianist Bruno Canino aber eine Meisterleistung ab, die wie geplant im April 1997 erscheint und sehr gute Kritiken erhält. “Die Kombination von jugendlichem Enthusiasmus, feiner Aufnahme und außergewöhnlicher Klavierbegleitung machen diese CD zu einem Volltreffer”, befindet das Gramophone Magazine.
Im Oktober 1997 reist David Garrett für die Aufnahme von Tschaikowskys Violinkonzert in D-Dur und das Violinkonzert in E-Moll von Jules Conus nach Russland. Gemeinsam mit dem Russischen Nationalorchester unter Leitung von Mikhail Pletnev spielt er die Werke im Großen Saal des Moskauer Konservatoriums ein. "Für Garrett hat die Zukunft schon begonnen”, verkündete das Magazin Audio. “Den unzähligen Aufnahmen von Tschaikowskys Violinkonzert fügt er eine betont lyrische hinzu, die den virtuosen Aspekt des Werks in den Hintergrund drängt. Dieses Konzept geht unter Pletnevs Stab auch beim eingängigen Conus-Konzert auf.”
Das Album
“14” erscheint im März 2013. Es hat einen faszinierenden Hintergrund. Produziert im April 1995, handelte es sich bei diesem virtuosen Recital mit Stücken von
Dvořák, Tschaikowsky, Schubert, Elgar und anderen um Garretts dritte Aufnahme, entstanden im Alter von 14. Zu einer Veröffentlichung war es seinerzeit nicht gekommen. “Ich habe die ganzen Jahre über nicht vergessen, dass da noch unveröffentlichtes Material von mir schlummerte”, schrieb David Garrett im Vorwort seines “verlorenen” Albums. “Für mich selbst war es unglaublich, zurückzuschauen und zu sehen, was ich in diesem Alter gemacht habe.” Sehen Sie hier die
Dokumentation zu “14”.
Alle Alben, die David Garrett zwischen 1995 und 1997 für Deutsche Grammophon aufgenommen hat, erscheinen nun erstmals in einer Box. Die 5CD-Edition
“David Garrett – The Early Years” ist eine lohnende Anschaffung für alle, die ihr Bild von dem heutigen Superstar vervollständigen wollen oder ein Ausnahmetalent in seinen frühen Blütejahren erleben möchten.