Das Klavier ist ein erstaunliches Instrument. Denn zum einen hat es natürlich seine Grenzen, beispielsweise in der wohltemperierten Aufteilung der Töne in 88 Schritte, die den klaren Rahmen des musikalischen Gestaltens vorgeben. Auf der anderen Seite aber gibt es kein vergleichbares Instrument, es sei denn man nimmt gleich das Orchester, um ähnlich viele Töne simultan, kontrapunktisch oder ergänzend ineinander fließen lassen zu können. Das entdecken auch die Kinder der Reihe „Der Kleine Hörsaal“, die sich mit dem Pianisten Pierre-Laurent Aimard treffen, um dem Geheimnis des Klaviers auf die Schliche zu kommen.
Für Dennis, Leon, Emely, Leonie, Julia und Adam ist es ein Erlebnis. Wann sonst hat man schon einmal die Möglichkeit, einem Weltstar wie dem französischen Pianisten Pierre-Laurent Aimard Löcher in den Bauch zu fragen? Aber genau dafür sind sie ins Studio gekommen, um im Rahmen des „Kleinen Hörsaals“ alle die Geschichten zu erfahren, die andere Kinder auch interessieren. Die meisten der Anwesenden spielen selbst bereits ein Instrument, aber das ist doch noch einmal etwas anderes, als von einem Profi erklärt zu bekommen, worin denn die besonderen Stärken und Tücken des Klaviers bestehen. Pierre-Laurent Aimard erweist sich dabei als sensibler Pädagoge. Denn ihm geht es nicht darum, zu protzen oder gar die Nachwuchsstudenten mit akademischer Fülle zu überfüttern. Im Gegenteil: Sein Zugang zum Instrument ist ein natürlicher, der sich über den menschlichen Körper dem Klang des Klaviers nähert.
Ein Kapitel wie „Jeder kann Klavier spielen“, das zunächst wie eine pauschale Aussage erscheint, bekommt über seine Führung einen besonderen und nachvollziehbaren Sinn. Denn tatsächlich erscheint das Instrument unter seiner Ädige und durch seine Erklärungen schnell wie ein Pendant zur menschlichen Stimme. Es spricht und singt, fabuliert und formuliert ganz wie ein Schauspieler. Es kann in Rollen schlüpfen, etwa in zeitgenössischer Musik die Position des Schlagzeugs oder eines Vogelsangs einnehmen, den Geist der Gitarre atmen oder sogar ein ganzen Orchester ersetzen. Das ist überhaupt die Stärke dieses „Kleinen Hörsaals“. Pierre-Laurent Aimard ist ein Meister der Vielseitigkeit, bei Messiean und Stockhausen ebenso kompetent wir bei Bach und Beethoven. Er ist ein charmanter und bewanderter Erzähler und Kommentator, der die historischen Hintergründe seines Instrument ebenso erläutern wie die Brücke zur Gegenwart schlagen kann.
Deshalb ist er auch eine ideale Besetzung für diese Folge des „Kleinen Hörsaals“, der schon sechs Kapitel zu anderen Instrumenten von Geige bis Orchester mit Kollegen von Hilary Hahn bis Christian Thielemann vorangegangen sind. Musik ist Sprache und Natur zugleich, sie ist eine der zentralen Kulturleistungen, die den Menschen im Laufe der Evolution gelungen ist, und im Gespräch mit Pierre-Laurent Aimard wird die Faszination durch und durch spürbar. Da sind die Kinder nicht nur begeistert, sondern entwickeln sich zu Forschern des Künstlerischen, die dem Geheimnis des schönen Klangs nachspüren. Und einmal mehr erweist sich das Konzept des „Kleinen Hörsaals“ als wegweisend. Denn mehr und zugleich spielerischer kann man auf einer CD-Länge kaum über das Klavier und dessen Welt erfahren.