Am 13. September jährt sich der Geburtstag von Clara Schumann zum 200. Mal. Das Jubiläum dieser außergewöhnlichen Frau ist Anlass für eine siebenteilige Reihe bei KlassikAkzente, die sich Komponistinnen damals und heute widmet. Oft verkannt, heute verehrt und mit gutem Grund (neu) entdeckt, bereicherten und bereichern sie die Welt der Musik.
“Daß man seine elende Weibsnatur jeden Tag, auf jedem Schritt seines Lebens von den Herren der Schöpfung vorgerückt bekömmt, ist ein Punkt, der einen in Wuth und somit um die Weiblichkeit bringen könnte”, so brachte Fanny Hensel Mendelssohn verärgert und desillusioniert zugleich ihre Situation als begabte Frau im 19. Jahrhundert auf den Punkt. Die ältere Schwester von Felix Mendelssohn Bartholdy kam am 14. November 1805 in Hamburg auf die Welt, später zog die Familie nach Berlin, wo Fanny Mendelssohn den Hofmaler Wilhelm Hensel heiratete. Ähnlich wie ihr Bruder Felix zeigte auch Fanny schon früh ein außerordentliches musikalisches Talent. So konnte sie im Alter von 13 Jahren schon alle 24 Präludien aus dem Wohltemperierten Klavier von Johann Sebastian Bach auswendig vortragen, später genoss sie in eingeweihten Kreisen einen Ruf als brillante Dirigentin.
Exzellente Ausbildung – eingeschränkter Wirkungskreis
Sowohl Felix als auch Fanny kamen in den Genuss erstklassiger Lehrer: So erhielten sie Kompositionsunterricht bei Carl Friedrich Zelter und studierten bei der Pianistin Marie Bigot und Ludwig Berger. Ganz anders als ihrem Bruder aber war es Fanny Hensel Mendelssohn nicht möglich, ihr Talent frei auszuleben und zum Beruf zu machen. So sprachen sich sowohl ihr Vater als auch ihr Bruder klar gegen eine Drucklegung ihrer Werke aus, schließlich galt es als unschicklich für eine Frau, ihr eigenes Geld verdienen zu wollen. Dies führte immer wieder zu Schaffenskrisen bei Fanny Hensel Mendelssohn. So schrieb sie sechs Jahre vor ihrem Tod an einen Freund in England: “Komponiert habe ich in diesem Winter rein gar nichts. Wie einem zu Muth ist, der ein Lied machen will, weiß ich gar nicht mehr (…). Was ist übrigens daran gelegen? Kräht doch kein Hahn danach und tanzt niemand nach meiner Pfeife.” Auch eine intensive Reisetätigkeit und der Austausch mit Künstlern anderer Länder blieb Fanny Hensel Mendelssohn verwehrt, während ihrem Bruder Felix alle Türen offen standen und er diverse spannende Impulse und Begegnungen genießen konnte. Sie selbst kommentierte dies einmal lakonisch: “Daß ich bei so gänzlichem Mangel an Anstoß von außen dabeibleibe, deute ich mir selbst wieder als ein Zeichen von Talent.” Nichts desto trotz pflegte die Komponistin mit ihrem Bruder Felix einen engen künstlerischen Austausch und war sich das geniale Geschwisterpaar innig verbunden.
Kreativ ausleben konnte sich Fanny Hensel Mendelssohn bei den sogenannten “Sonntagsmusiken”, die ab 1823 regelmäßig im Gartensaal des Anwesens der Familie Mendelssohn stattfanden und bei denen im halböffentlichen Kreis verschiedene Werke, auch von den Mendelssohn-Geschwistern selbst, aufgeführt wurden. Ab 1831 übernahm Fanny Hensel die alleinige Programmgestaltung, Einstudierung, Chor- und Orchesterleitung und nahm darüber hinaus als Solistin daran teil – mit überragendem Erfolg. An die 300 Menschen besuchten die Musiken, darunter Gäste wie Robert und Clara Schumann, Franz Liszt oder Joseph Joachim. Am 14. Mai 1847 verstarb Fanny Hensel Mendelssohn unerwartet an den Folgen eines Schlaganfalls – sie leitete gerade eine Probe von Felix Mendelssohn Bartholdys “Die erste Walpurgisnacht”.
Eindrucksvolles Werk
Das Werk der Komponistin umfasst weit mehr als 450 Werke, darunter Kammermusik, Chöre, Kantaten, Orchestermusik und szenische Werke. Im Zentrum von Fanny Hensels Schaffen standen das Klavier und die Singstimme und so komponierte sie rund 250 Lieder mit Klavierbegleitung. Veröffentlicht wurde zu ihren Lebzeiten allerdings nur ein Bruchteil davon. Erst kurz vor ihrem Tod setzte sich Fanny Hensel über das Druckverbot ihres Vaters und Bruders hinweg und begann mit der Veröffentlichung einiger ihrer Werke.
Noch immer gibt es viel zu entdecken und bis heute sind längst nicht alle Werke der begabten Künstlerin erschlossen. In der musikwissenschaftlichen Forschung hat man sich seit den 1970er Jahren verstärkt mit Fanny Hensels Werk beschäftigt, erst im November 2017 wurde das Museum zu Ehren Felix Mendelssohn Bartholdys um einen Teil zur Würdigung seiner Schwester Fanny erweitert. Es war an der Zeit.