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“Jeder Satz ein Juwel” – William Steinbergs legendäre Aufnahmen der vier Brahms-Sinfonien

Williams Steinberg
© courtesy BSO Archives
24.02.2022
Für den Dirigenten William Steinberg und das Label Command Classics gleichermaßen war es ein Glücksfall, dass der klassisch ausgebildete Plattenmanager Enoch Light den ehemaligen Assistenten von Arturo Toscanini beim NBC Symphony Orchestra und späteren Musikdirektor des Pittsburgh Symphony Orchestra für die Aufnahme der vier Brahms-Sinfonien verpflichtete.  Zu dieser Zeit galt Steinberg bereits als einer der weltweit größten Brahms-Interpreten. Folgerichtig wurden seine Aufnahmen der vier Sinfonien von Johannes Brahms mit dem PSO für das Command -Label, die zwischen 1960 und 1964 in der Soldiers and Sailors Memorial Hall in Pittsburgh entstanden, von Kritikern als eine der besten aufgenommenen Interpretationen dieser Werke gefeiert. Die New York Times schwelgte: “Steinberg bringt vor allem seinen Brahms zum Singen”.
Anlässlich des 125. Todestages von Johannes Brahms am 3. April 2022 hat die Deutsche Grammophon jetzt diese fantastischen Aufnahmen erstmals auf CD veröffentlicht.

Gegensätzliche Sinfonien

Als der 1833 in Hamburg geborene Johannes Brahms sich 1862 endlich dazu durchrang, einen eben vollendeten Sinfoniesatz als Grundlage für seine 1. Sinfonie in c-Moll zu sehen – im Rücken ständig die “Schritte des Riesen Beethoven”, der mit seiner neunten Sinfonie die Gattung an eine Grenze geführt hatte – sollte es noch 14 Jahre dauern, ehe er den Erstling am 4. November 1876 in Karlsruhe aus der Taufe hob. Die positive Resonanz enger Vertrauter wie Clara Schumann oder Theodor Billroth und der Mehrzahl der Kritiker nahm jedoch allen Druck von ihm und beflügelte ihn geradezu, die Arbeit an seiner 2. Sinfonie in D-Dur mit ihrem deutlich pastoralen Charakter aufzunehmen.
Charakteristisch für seine Zweite, die am 18. Dezember 1877 uraufgeführt wurde, ist nicht nur die allenthalben hörbare Vorliebe des Komponisten für die Technik der Variation. Über ihren starken Gegensatz der 1. Sinfonie gegenüber schrieb Philipp Spitta, Musikwissenschaftler und Freund Johannes Brahms’, im Jahr 1892 “…der Anfang der ersten steht da wie ein Berg in Wetterwolken und entwickelt sich mit einer furchtbaren Energie fast aus einem einzigen Motiv mit drei Noten…Das Gegenbild, die zweite Sinfonie, leuchtet wie ein heller Frühlingssonnenschein, bald in romantischer  Waldfrische, bald auf freiem, festen Wanderpfad …”

Die letzte Sinfonie aus der Feder von Johannes Brahms

Sechs Jahre nach der der zweiten erlebte Brahms im Dezember 1883 die Uraufführung seiner 3. Sinfonie in F-Dur durch Hans Richter. Zu dieser Sinfonie gibt es, ungewöhnlich genug, von Brahms kein einziges Dokument ihrer Entstehung, keinen Brief, keine Gesprächsnotiz, keine Skizzen. Nichts. Umso stärker die Resonanz auf das Werk, etwa von Clara Schumann: “Welch ein gewaltiges Werk, welche Poesie, die harmonischste Stimmung durch das Ganze, alle Sätze wie aus einem Gusse, ein Herzschlag, jeder Satz ein Juwel!”   
Als Johannes Brahms schließlich seine 4. Sinfonie am 25. Oktober 1885 vorlegte, war die klassische Sinfonie bereits Geschichte und der romantischen Sinfonie gewichen. Die e-Moll-Sinfonie ist seine letzte große sinfonische Arbeit.

Brahms als moderner Komponist und zugleich Traditionalist

In ihr offenbart sich Brahms als moderner Komponist und zugleich als ein Traditionalist, der ganz bewusst auf alten Musikformen zurückgreift. Charakteristisch für die Vierte ist, dass sie in Moll beginnt und in Moll endet, fernab jener heiteren Festlichkeit, wie etwa im Finale der 2. Sinfonie. Markant auch der Bläsersatz am Eingang des 4. Satzes, der Brahms‘ intensive Beschäftigung mit der Kirchenmusik des 18. und 19. Jahrhunderts offenbart.
Nicht nur ihres außerordentlich hohen künstlerische Standards wegen sind die jetzt erstmals auf CD veröffentlichten vier Brahms-Sinfonien mit William Steinberg und dem Pittsbourgh Symphonie Orchestra so wertvoll. Die Toningenieure und Produzenten von Command Records benutzten für ihre Aufnahmen anstelle der üblichen Magnetbänder als Material den magnetischem 35-mm-Film, der ihnen die Möglichkeit bot, mehr Instrumente einzeln aufzunehmen, den Audioeingangspegel sowie ihre Stereoposition anzupassen und zudem durch eine etwas höhere Geschwindigkeit eine bessere Wiedergabetreue bot. Die vom Original remasterten Aufnahmen sind, was ihre Strahlkraft und Transparenz der einzelnen Orchesterstimmen angeht, kaum zu überbieten.

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