Das
Verbier Festival in den Schweizer Alpen kann in diesem Jahr coronabedingt nicht stattfinden.
Martin Engströem, Gründer des beliebten Musikevents, hat als Alternative zu der örtlichen Zusammenkunft ein digitales Programm aufgelegt. Unterdessen würdigt Deutsche Grammophon das Festival mit der Veröffentlichung von vier Live-Alben. Als Auftakt der Reihe erschien am 17. Juli eine gefeierte Aufführung von
Schostakowitschs fesselndem Klaviertrio Nr. 1 in c-Moll mit dem jungen Ausnahmepianisten
Lucas Debargue und der niederländischen Geigenvirtuosin
Janine Jansen. Jetzt kommt als zweites Album der vierteiligen Folge eine elektrisierende Aufführung von
César Francks zukunftsweisendem Klavierquintett in f-Moll heraus. Der Mitschnitt stammt aus dem Jahre 2014. Am Klavier ist der kanadische Starpianist
Marc-André Hamelin zu erleben, der an der Seite von
Joshua Bell (Geige),
Pamela Frank (Geige),
Nobuko Imai (Bratsche) und
Steven Isserlis (Cello) eine faszinierende Entdeckungsreise in die impressionistisch angehauchten Klanglandschaften von César Franck unternimmt.
Loslassen, träumen und entdecken
Francks Klavierquintett lädt zum Loslassen, Träumen und Entdecken ein. Dabei wird man von dem französischen Komponisten sacht an die Hand genommen und Schritt für Schritt in einen betörend farbenprächtigen Klangkosmos geführt. Es ist, als schlösse man die Augen und eine vollkommen neue Welt von Bildern, Tönen und Kontrasten erstehe. César Franck komponierte sein Klavierquintett im Jahre 1878/79. Es war eine Zeit des Aufbruchs. In der Malerei suchten die Impressionisten nach neuen Ausdrucksformen. Analog dazu wuchs auch in der Musik das Bedürfnis, Neuland zu entdecken. Franck, aus den romantischen Quellen des 19. Jahrhunderts schöpfend, beteiligte sich an dieser avantgardistischen Offensive. Sein großflächiges Quintett, aus Claude Debussys Perspektive “die wahre Musik”, ist das eindrucksvollste Zeugnis seiner visionären Veranlagung. Die Mischung aus sehnsuchtsvoll drängenden Stimmungen und überraschenden Harmonien übt bis heute unwiderstehliche Reize aus.
Der Geist von Verbier
Getragen von den euphorisch aufspielenden Streichern um den US-amerikanischen Stargeiger Joshua Bell, begibt sich Marc-André Hamelin mit Haut und Haaren in das romantisch-impressionistische Zwischenreich von César Frank. Der kanadische Ausnahmepianist nimmt eine neugierige, sensibel forschende Haltung ein. Er beginnt ruhig, vorsichtig tastend und gerät peu à peu in immer rauschhaftere Zustände. Traumwandlerisch sicher folgt er den allmählichen Steigerungen des Komponisten und nimmt das Publikum mit auf seine Reise.
Der Geist von Verbier macht es möglich. Bei keinem anderen Event der Klassikwelt treten die Solisten so gelöst, so frei auf die Bühne. Die hautnah zu spürende Energie und Spontaneität des Ensembles in dem gerade erschienenen Live-Mitschnitt ist ein schlagender Beweis dafür, wie förderlich diese angstfreie Atmosphäre ist.