Claudio Abbado besaß ein besonderes Gespür für den Farbenreichtum und die Zwischentöne in Rossinis Musik. In kaum einer Aufnahme hat er dies so vielgestaltig und unterhaltsam zum Ausdruck gebracht wie in seiner Einspielung des “Barbiere” von 1971. Das Projekt mit dem London Symphony Orchestra erwies sich von Beginn an als Glücksfall. Das Orchester verstand intuitiv, worauf der Dirigent hinauswollte.
Abbado selbst hatte nichts dem Zufall überlassen. Er hatte jedes noch so unscheinbare Detail der Partitur studiert und sich dann gemeinsam mit dem Orchester auf den Weg gemacht, um die beste interpretatorische Lösung zu finden. Der Klangkörper aus London reagierte schnell und zeigte sich offen für die poetischen Nuancen, die Abbado bei Rossini entdeckt hatte.
Sängerpersönlichkeiten von Weltrang
Der hohen Qualität des Orchesters entsprach das Casting der Produktion, die mit Teresa Berganza, Hermann Prey und Luigi Alva Sängerpersönlichkeiten von Weltrang versammelte. Hermann Prey sang einen physisch präsenten Figaro/Barbier. Teresa Berganza glänzte als schwebend anmutende Rosina mit hinreißenden Koloraturen. Und Luigi Alva stach als leidenschaftlich entflammter Graf hervor. Gemeinsam schufen sie eine Aufnahme von Rossinis “Il barbiere di Siviglia”, die Schallplattengeschichte schrieb.
Die 1972 veröffentlichte Aufnahme erlebte zahllose Wiederauflagen. Zuletzt erschien sie 2018, audiophil gemastert im hochauflösenden 24-bit/96kHz-Format, in einer noblen Hardcover-Edition. Diese inzwischen vergriffene Ausgabe erfährt jetzt eine Neuauflage. Diesmal im Design einer Capbox, umfasst sie zwei CDs, eine Blu-ray Audio Disc sowie eine DVD mit einer Mailänder Studioproduktion von 1972, bei der der französische Theatermann Jean-Pierre Ponnelle Regie führte und die nahezu in der identischen Besetzung stattfand wie die Aufnahme von 1971. Beigefügt ist der Ausgabe ein 28-seitiges Booklet mit einer Zusammenfassung der Oper und inspirierenden Essays von Alan Blyth, Bernd Feuchtner und Philip Gossett.