Als die Neue Musik noch neu war, bedeutete sie für viele Komponisten Kampf. György Kurtág charakterisierte sein “1.Streichquartett”, das 1959 nach Aufenthalten in Paris und Köln in Budapest entstand, mit bildhaft drastischen Worten: “Ein Insekt sucht den Weg zum Licht. Den Lichtschein versinnbildlicht der Flageolettakkord [am Schluss] und dazwischen all dieser Schmutz”. Diesen Bodensatz der Überlieferung gilt es zu überwinden, Kurtág ist es gelungen und das Keller Quartett hat ihm geholfen, diesen Prozess auch deutlich zu machen.
György Kurtág stammt aus dem rumänischen Lugos, seine kulturelle Heimat jedoch ist Ungarn. In den Vierzigern studierte er in Budapest Klavier bei Pal Kadosa, Kammermusik bei Leo Weiner und Komposition zunächst bei Sándor Veress, dann bei Ferenc Farkas, im gleichen Jahrgang übrigens wie György Ligeti. Prägend wurde jedoch ein Ausflug in den Westen, der Kurtágs Einstellung zur Musik veränderte. Er reiste 1957/58 nach Paris, um bei Olivier Messiaen und Darius Milhaud zu studieren. Darüber hinaus aber traf mit der Psychologin Marianne Stein zusammen, über deren Gespräche er sich seiner musikalischen Wurzeln und intellektuellen Kraft bewusst wurde. Darüber hinaus lernte er intensiv die Klangwelt Anton Weberns kennen, beschäftigte sich mit Samuel Beckett, französischer Architektur (wie etwa der Kathedrale von Chartres) und begegnete quasi auf dem Heimweg nach Budapest in Köln Karlheinz Stockhausen und den Experimentatoren um die elektronische Musik. Vollgefüllt mit all diesen Eindrücken, komponierte er 1959 dann sein “Quartetto per archi op.1”, das der Marianne Stein widmete und das später als die künstlerische Geburtsstunde des Komponisten verstanden wurde.
“Das Streichquartett op1 schlug 1959 wie ein Meteor ein", meint der Rezensent H.-K. Metzger in der Wochenzeitung ‘Die Zeit’, "und es ließ sich auf Erden nicht einordnen, wo ganz andere kompositorische Richtungen im Widerstreit lagen. Nun bildet es das Zentrum einer CD des exzellenten Keller Quartett aus Budapest, einer Enzyklopädie der Streicherkammermusik Kurtáks". Tatsächlich hatte sich das renommierte Ensemble um den Geiger András Keller viele Gedanken gemacht, was es denn in ein Programm mit "Musik für Streichinstrumente" zu integrieren gelte. Für die Aufnahmen im November 1995 im Casino Zögernitz in Wien, wählten sie schließlich neben dem Quartett verschiedene Miniaturen aus unterschiedlichen Schaffensphasen des Komponisten wie 12 Mikroludien der "Hommage à Mihaly András" (1977/78), die Werke "Ligatura" und "Officium breve" aus den späten Achtzigern und "Aus der Ferne III" von 1991, das Kurtág dem Verleger Alfred Schlee zum 90.Geburtstag widmete.
Die Referenz:
"Das Streichquartett Opus 1 schlug 1959 wie ein Meteor ein und ließ sich auf Erden nicht einordnen, wo ganz andere kompositorische Richtungen im Widerstreit lagen. Nun bildet es das Zentrum einer CD des exzellenten Keller-Quartetts aus Budapest, einer Enzyklopädie der Streicherkammermusik Kurtágs” (Die Zeit, Heinz-Klaus Metzger)