Außergewöhnlich hoch drei – abseits eingetretener musikalischer Pfade
08.11.2024
Diese LPs und weitere von ECM Records finden Sie im JazzEcho-Store.
Musikalisch vollkommen neues Terrain zu erobern, wird immer schwieriger. Dem Pianisten Florian Weber ist dieses seltene Kunststück auf “Imaginary Cycle” mit einer unkonventionellen Besetzung in geradezu brillanter Weise gelungen. “Das Ensemble umfasst neben Weber die Flötistin Anna-Lena Schnabel sowie Michel Godard, einen Virtuosen auf der Tuba und deren hölzerner, wie eine Schlange gewundenen Schwester, dem Serpent”, erläutert Werner Stiefele in Rondo. “Außerdem sind die vier Eufoniumspieler des Quatuor Opus 333 und ein Posaunenquartett beteiligt.
[…] Das ist kein Jazz, wohl aber eine mit improvisierten Momenten angereicherte Fortführung dessen, was in der Alten Musik, im Barock und der Romantik sowie dem 20. Jahrhundert an Ideen entstanden ist.” In Jazzthetik schreibt Ralf Döring: “Kategorien wie Jazz oder Klassik, Komposition oder Improvisation lässt ‘Imaginary Cycle’ weit hinter sich.
Weber hat Musik von Gesualdo und Orlando di Lasso für dieses Album studiert, sich aber auch bei Anton Bruckner umgehört, um zu lernen, was er mit Bläsern anstellen kann. Eine außergewöhnliche Mischung also.” Und im Deutschlandfunk meint Niklas Wandt: “Florian Weber und dem Produzenten Manfred Eicher ist mit ‘Imaginary Cycles’ ein eigenwilliges und anrührendes Werk gelungen, das ganz organisch die Grenzen zwischen Kammermusik und zeitgenössischem Jazz, zwischen Fixiertem und Spontanem verwischt – wie auch die Frequenzen der tiefen Blasinstrumente und der Solisten immer wieder ineinanderlaufen, verschwimmen und sich wieder voneinander lösen, als fände das Geschehen an einem nahen Horizont statt, als gäbe die Musik dem Ohr nicht alles preis.”
Ganz anders, aber nicht weniger faszinierend ist “Za Górami”, das ECM-Debüt von Alice Zawadzki, Fred Thomas und Misha Mullov-Abbado. Die drei gehören zu den aufregendsten Talenten der jungen britischen Improvisations- und Jazzszene. Auf “Za Górami” präsentieren sie in frei fließendem Zusammenspiel folkloristische Idiome aus den unterschiedlichsten Quellen. “Beim Jazz geht es darum, sich vorwärts zu bewegen und neue Wege zu finden, um Musik zu machen, die Herz und Verstand berührt”, schreibt Konstantin Rega auf All About Jazz. “Die in London lebende Sängerin und Geigerin Alice Zawadzki hat sich mit dem Pianisten und Schlagzeuger Fred Thomas und dem Kontrabassisten Misha Mullov-Abbado zusammengetan, um ein stilvolles, folkloristisch angehauchtes Jazzalbum aufzunehmen. ‘Za Górami’ verbindet Volkslieder, Kammermusik und improvisierte Jazzstile zu einem hypnotischen Sound.” In JazzNews meint Nick Lea: “Ein außergewöhnliches Debütalbum von einem Trio außergewöhnlicher Musiker, die eine genreübergreifende Musik schaffen, die klassische Neigungen (alle drei Musiker haben eine klassische Ausbildung), Jazz, Improvisation und Volkslied in einer Aufnahme vereint, die absolut fesselnd ist und das Erzählen von Kurzgeschichten als thematisches Konzept hat.”
Der Klarinettist Louis Sclavis und der Pianist Benjamin Moussay spielen schon seit mehr als zwanzig Jahren in den unterschiedlichsten Konstellationen zusammen. Nun haben die beiden Franzosen mit “Unfolding” endlich ihr erstes Duo-Album aufgenommen, für das sie ein Programm mit ausschließlich neuen Eigenkompositionen zusammengestellt haben, in dem sich lyrische Kontemplation und verschmitzter Erfindungsreichtum die Waage halten. “Malerisches Themenmaterial und pianistische Stimmungsbilder sind zwar zugegen. Sie bilden allerdings nur den Ausgangspunkt für raffinierte Extrapolationen”, schreibt Ljubiša Tošić in der österreichischen Tageszeitung Der Standard. “Das funktioniert im Leisen wie bei ‘Loma del Tanto’. Das funktioniert aber auch bei Kompositionen wie dem expressiv sich steigernden ‘Sieta Lagunes’, bei dem Sclavis zu epischen Gedankenlinien ausholt, ist er doch ein wahrer Meister des Spontanen.” In der Sächsischen Zeitung merkt Jens-Uwe Sommerschuh an: “Das taufrische neue Album von Louis Sclavis und Benjamin Moussay heißt ‘Unfolding’, also ‘Entfaltung’. Die Musik, die der 71-jährige Klarinettist und der 20 Jahre jüngere Pianist im vergangenen Frühling in Südfrankreich in den Studios La Buissonne unweit des Mont Ventoux eingespielt haben, wirkt sehr frei und frisch und offen. […] Die beiden Franzosen, die aus Lyon und Strasbourg stammen, haben schon in diversen Jazz-Ensembles, auch in größeren Besetzungen, zusammengespielt. Hier im Duo ist die Improvisation besonders direkt und dialogisch.”