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Das delikate Klanggefühl der Klassik – Robert Levin mit sämtlichen Klaviersonaten von Mozart auf dem Hammerklavier des Komponisten

Robert Levin
15.09.2022
Mozart auf die Spur zu kommen, kann zu einer Obsession werden. Der Vorteil solcher Fixierungen besteht darin, dass sie ein schöpferisches Potenzial bergen, das unser Hören und Fühlen maßgeblich verändern kann. Robert Levin hat dies mit Mozart vorexerziert. Dem US-amerikanischen Pianisten ist es mit seiner legendären Vollendung des Requiems und anderer Mozart-Werke, seinen kühnen Kadenzen in Klavierkonzerten des Wiener Klassikers und seinen musikwissenschaftlichen Publikationen und Vorträgen gelungen, das oft grob gezeichnete Mozart-Bild der Gegenwart auf den Prüfstand zu stellen. 
Als Wissenschaftler ist Levin mit Mozart-Partituren und anderen textlichen Zeugnissen des 18. Jahrhunderts urvertraut. Als Virtuose nähert er sich auf einem Hammerklavier dem Klanggefühl der Klassik. Was er der Öffentlichkeit in seiner neuen ECM-Edition präsentiert, kann als Summe seiner intellektuellen und pianistischen Beschäftigung mit Mozart gelten.
Summe von Levins Mozart-Beschäftigung
Die Ausgabe enthält die erste Gesamtaufnahme von Mozarts Klaviersonaten auf dessen eigenem Hammerklavier. Levin spielt ein Instrument aus der Werkstatt von Anton Gabriel Walter, das Mozart ab 1785 benutzte. Im Vergleich mit einem modernen Flügel klingt dieses Klavier heller und hat eine silbrige Note. Zudem treten die Basstöne deutlicher hervor. Levin betont die dynamischen Möglichkeiten des Instruments. Mozarts „Bögen und Staccati“ seien „für ein Instrument entworfen, das sehr klar und lebendig spricht“.  
Auf Hörerinnen und Hörer, die das Instrument nicht kennen, mögen Levins Aufnahmen zunächst fremdartig wirken. Je länger man sich jedoch an den Klang des Instruments gewöhnt, desto hypnotischer ist dessen Wirkung. Mozarts stete Tanzbereitschaft und Heiterkeit kommen darauf lebhafter zum Ausdruck als auf einem modernen Flügel, der zwar durch sein voluminöses und ausgewogenes Klangbild zu beeindrucken vermag, im Vergleich zu dem Fortepiano jedoch insgesamt glatter klingt. 
Klangsinnlicher Reichtum
Levin versteht den klangsinnlichen Reichtum des Instruments zu nutzen. Virtuosere Sonaten wie die in F-Dur (K. 533/494) oder die in D-Dur (K. 576) entfalten in seiner Interpretation eine fesselnde Dynamik. Bei melancholischen Sonaten wie der in a-Moll (K. 310) oder der für Beethoven so prägenden in c-Moll (K. 457) besticht die Zartheit des Klangs, die Mozarts Verletzlichkeit spürbar macht. Von ausgesuchter Feinheit sind die Mozart-Improvisationen und -Ausschmückungen, die Levin, einem von Carl Philipp Emanuel Bach bezeugten Brauch der klassischen Zeit folgend, bei Wiederholungen anbringt. Hier wie auch in seinen Vollendungen von drei Mozart-Fragmenten bewährt sich Levins lebenslang geübte Verinnerlichung von Mozarts Idiom, die ihm bei der Weiterführung des unvollendeten Sonatensatzes in B-Dur (K. 400) einen wahren Spielrausch ermöglicht, der sich ebenso überraschend wie mozartisch ausnimmt.  
Benjamin Zander hat Levin einmal attestiert, „erfolgreich in Mozarts Geist eingedrungen“ zu sein. Die jetzt erschienene Mozart-Edition des Pianisten, die ein 100-seitiges Booklet mit einem fachkundigen Essay des Musikwissenschaftlers Ulrich Leisinger über Mozarts Klaviersonaten enthält, stützt das Urteil des britischen Dirigenten.

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