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Die Vermählung von Wort und Klang – Tõnu Kaljuste mit geistlichen Meisterwerken von Arvo Pärt

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09.11.2023
Arvo Pärt hat die Geschichte der New Series geprägt wie kein anderer Komponist. Sein Debütalbum “Tabula rasa” markierte 1984 den Beginn des Sublabels von Manfred Eichers renommierter Jazz-Plattenfirma ECM. Seither sind fast 40 Jahre ins Land gegangen. In diesem Zeitraum hat ECM New Series den klanglichen Reichtum von Pärts eigenwilliger Kompositionskunst in zahllosen Referenzaufnahmen dem Publikum präsentiert. 
Als “Tabula rasa” erschien, geisterten Begriffe wie “Minimalismus” oder “Neue Einfachheit” durch den öffentlichen Raum. Die Kritik suchte sich einen Reim zu machen auf den neuen Sound aus Nordosteuropa. Wie wenig diese Begriffe austrugen, zeigte sich indes mit jeder neuen Pärt-Veröffentlichung deutlicher. Pärts Einfachheit besaß einen anderen Charakter als etwa die Minimal Music aus den USA. Mit der Entwicklung seines Tintinnabuli-Stils suchte der Komponist Anschluss an die gregorianische Tradition.
Spirituelles Fundament
“Der gregorianische Choral hat mich gelehrt, welch ein kosmisches Geheimnis sich in der Kunst der Kombination von zwei, drei Tönen verbirgt”, erklärte Pärt in einem Interview mit Martin Elste. Es sei, so Wolfgang Sandner über den Komponisten im Booklet zu Pärts neuem Album, “das Wort, das die Musik formt, während die Musik das Wort belebt. Das Wort, das im Anfang war.” 
Jene spirituell gesättigte Verbindung zwischen Wort und Klang, die für den estnischen Komponisten so typisch ist, kann man auf seiner neuesten Aufnahme in mannigfaltigen Ausprägungen erleben. Im Zentrum des Albums stehen geistliche Werke für gemischten Chor und Orchester, die das Tallinner Kammerorchester gemeinsam mit dem Estnischen Philharmonischen Kammerchor unter der Leitung von Tõnu Kaljuste 2022 in der Methodistenkirche in Tallinn aufgenommen hat. 
Kaljuste ist ein langjähriger Wegbegleiter des Komponisten, der mit dessen Werk tief vertraut ist. Das merkt man nicht nur seinen Interpretationen an, sondern auch seinem Arrangement von Pärts Komposition “Littlemore Tractus” (2000/2022). Ursprünglich für Chor und Orgel geschaffen, nach einem Predigttext von John Henry Newman, erzielt das Werk in Kaljustes Fassung für gemischten Chor und Orchester einen die Perspektive weitenden Effekt.
Wort und Klang   
Das gilt in ähnlicher Weise auch für eine andere Bearbeitung, die auf dem Album zu erleben ist. Das geistliche Lied “Vater unser” (2005/2019), von Pärt für Klavier und Knabensopran bzw. Countertenor geschrieben, verliert zwar in der von Tõnu Kõrvits transkribierten Version für gemischten Chor, Klavier und Streichorchester naturgemäß an Intimität, dafür gewinnt es an expansiver Qualität. Es ist, als ob sich die Tür einer Kirche öffnet und der Chorgesang und Orchesterklang in die Welt strömt. Dieser Eindruck einer sich öffnenden Pforte drängt sich aber nicht nur in den vokalen Werken des Albums auf, sondern auch in den instrumentalen, allen voran in “Greater Antiphons I-VII” für Streichorchester (2015). 
Das Werk geht auf Pärts Sieben Magnificat-Antiphonen für gemischten Chor a cappella (1988) zurück und wurde vom Komponisten selbst umgearbeitet. Auf eine seltsame, magische Weise hört man in der Streicherfassung den Gesang. Dazu passt die editorische Pointe, dass die Texte der Antiphonen im Booklet abgedruckt sind. Man kann sie ohne ein Gefühl der Befremdung zu der Musik lesen. 

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