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ECM-Jahresauftakt mit vier europäischen Künstlern

ECM Records
19.12.2017
Als faszinierendes Beispiel für Jazz-Crossover bezeichnete John Fordham im Guardian das erste Album von Thomas Strønens Akustik-Kollektiv Time Is A Blind Guide. Nun hat der norwegische Schlagzeuger und Komponist das Ensemble für das zweite Album “Lucus” vom Septett zum Quintett zurechtgestutzt. Anstelle des britischen Pianisten Kit Downes – der zufälligerweise parallel sein ECM-Solodebüt gibt – ist außerdem Ayumi Tanaka ins Ensemble gerückt. Tanaka, die seit 2011 in Norwegen lebt, versucht in ihren Improvisationen assoziative Verbindungen zwischen ihrer Heimat Japan und Norwegen herzustellen, wozu sie Strønen mit seinen raumbewussten, lichtdurchlässigeren Kompositionen geradezu zu ermuntern scheint. Wie schon auf dem ersten Album, das der Band auch ihren Namen gab, bringen sich die Streicher auch diesmal wieder hervorragend ein. Mal schält sich aus dem aktuellen Quintett das Streichtrio mit Geiger Håkon Aase, Cellistin Lucy Railton und Kontarbassist Ole Morten Vågan heraus, dann wieder das Klaviertrio mit Strønen, Tanaka und Vågan, wobei letzterer als Bindeglied zwischen den beiden Trios agiert.
Das großartige schwedische Trio von Bobo Stenson zeigt sich auf seinem wunderbaren neuen Album, seinem ersten seit sechs Jahren, alles andere als unentschlossen. Wie stets greift es auf ein breites Spektrum von musikalischen Quellen zurück. Diesmal reicht es vom sehnsuchtsvollen Titelstück des kubanischen Sängers und Songwriters Silvio Rodríguez über Bartóks Adaption eines slowakischen Volksliedes, ein Stück aus Federico Mompous impressionistischer Klaviermusikkollektion “Cançons I Danses” und Erik Saties “Élégie” bis zu Eigenkompositionen von Stenson und Anders Jormin sowie Gruppenimprovisationen. Der Gruppencharakter und die musikalische Identität der einzelnen Mitglieder des Trios sind so stark gefestigt, dass die Einbeziehung des Fremdmaterials stets organisch und schlüssig erscheint. Stensons lyrischer Anschlag, Jormins mit Folkklängen eingefärbter, gestrichener Bass und Jon Fälts immer wieder aufflackerndes, strukturelles Schlagzeugspiel kommen auf “Contra La Indecisión” besser denn je zuvor zur Geltung.
Der Saxophonist und Klarinettist John Surman wird oft als ein englischer Improvisator und Komponist reinsten Wassers beschrieben: Anklänge an Folkmusik und ländliche Szenen haben zum Beispiel besonders populäre Alben wie “The Road To Saint Ives” oder “Saltash Bells” geprägt. Doch Surman tauschte sich auch schon immer mit Musikern aus anderen Ländern und Kulturkreisen aus, die durch ihr Gefühl für Klänge jenseits aller Idiome innig verbunden sind (etwa  Anouar Brahem, Lester Bowie, Tomasz Stanko, Karin Krog). Die Wege von Pianist Nelson Ayres – Liebhabern von brasilianischem Jazz vor allem durch seine Zusammenarbeit mit Airto Moreira, Milton Nascimento und der Band Pau Brasil bekannt – und Surman kreuzten sich erstmals während einer Südamerika-Tournee des Briten. Den amerikanischen Vibraphonisten Rob Waring, der nun schon seit über 35 Jahren in Norwegen lebt (und unlängst Mats Eilertsen bei einer Einspielung für ECM begleitete), lernte der Saxophonist danach in Oslo kennen und schätzen. Im Juli 2017 fanden sich die drei Musiker im Osloer Rainbow Studio ein, um ein neues Programm mit Stücken von John Surman – sowie Ayres' “Summer Song” – einzuspielen.
Seinen Einstand bei ECM gab Kit Downes, den Kritiker  für eines der herausragenden jungen Jazztalente Großbritanniens halten, 2015 als Pianist auf dem Debütalbum von Thomas Strønens Band Time Is A Blind Guide. Jetzt legt der Brite mit “Obsidian” sein erstes eigenes Album bei dem Münchener Label vor, das auf den ersten Blick nur wenig mit “Jazz” zu tun hat. Tatsächlich aber konnte diese Musik nur der subtilen Fantasie eines einfühlsamen Improvisationsmusikers entspringen. Einige seiner frühesten musikalischen Erfahrungen hatte Downes als Kirchenorganist gemacht. An sie knüpfte er in den letzten fünf Jahren häufiger an, wenn er im Duo mit dem Tenorsaxophonisten Tom Challenger die Klangmöglichkeiten und Besonderheiten der Kirchenorgel in sowohl melodischen als auch harmonischen Improvisationen auslotete. Im November 2016 begleitete der Produzent Sun Chung (Aaron Parks, Ben Monder, Eberhard Weber) den Musiker in drei englische Kirchen: die Snape Church of John the Baptist und die Bromeswell St. Edmund Church in Suffolk sowie die Union Chapel Church in Islington, London. Die Kirchen boten Downes nicht nur sehr unterschiedliche akustische Räume, sondern auch Orgeln mit sehr unterschiedlichen Eigenschaften, mit denen sich Downes im Alleingang und auf sehr kreative Weise auseinandersetzte. Lediglich bei der Aufnahme des Stücks “Modern Gods” erhielt er Unterstützung von seinem vertrauten Partner Tom Challenger, mit dem er bereits zwei Duo-Alben aufgenommen hat.

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