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Heilende Dimensionen der Musik – Ferenc Snétberger mit dem Keller Quartett live

Ferenc Snétberger
ECM Records
11.02.2021
Der ungarische Gitarrenvirtuose Ferenc Snétberger ist bekannt für seine eigenwillige Verschmelzung verschiedenartiger Genres. Gipsy-Jazz war dem 1957 im Norden Ungarns geborenen Spross einer Roma-Familie in die Wiege gelegt. Klassische Gitarre begann er im Alter von 13 Jahren an einer Musikschule zu lernen, bevor er seine Jazz-Fertigkeiten am Béla-Bartók-Jazzkonservatorium in Budapest verfeinerte. Dass der Flamenco und die brasialinische Tradition sein Interesse weckten, verstand sich für einen virtuos veranlagen Solisten, der ausloten wollte, was auf der Gitarre möglich ist, fast schon von selbst. 
Im Jahre 2016 debütierte Snétberger mit dem vielbeachteten Live-Album “In Concert” bei ECM. Nur ein Jahr später folgte mit “Titok” ein facettenreiches Jazzalbum, das ebenfalls im Haus des Produzenten Manfred Eicher erschien. Mit “Hallgató” ist der Gitarrist jetzt erstmals in der ECM New Series zu erleben, Eichers Sublabel für klassisches Repertoire.
Schlüsselerfahrungen
Das Live-Album entstand im Dezember 2018 bei einem Auftritt Snétbergers in Budapests Liszt-Akademie. Der Ort hat für den Gitarristen fast so etwas wie magische Bedeutung. An der altehrwürdigen Musikhochschule bestritt er nicht nur sein ECM-Debut, sondern machte auch eine musikalische Schüsselerfahrung: “Ich hörte Bach, und es veränderte mein Leben”, so Snétberger, der mit Platten von John Coltrane, Charlie Parker und Django Reinhardt aufwuchs. Der Swing hat ihn nie verlassen, aber durch die Begegnung mit der klassischen Tradition wuchs sein Bedürfnis, Improvisatorisches und klassische Formen miteinander in Schwingung zu bringen. Wie beflügelnd ein solches Vorhaben sein kann, merkt man seinem neuen Album an, das sich in einem breiten Stimmungspektrum zwischen lyrischer Intimität und tänzerischer Ekstase bewegt. 
Heilende Dimensionen
Snétberger und das Keller Quartett führten in Budapest ein gemischtes Programm mit Werken von John Dowland, Samuel Barber, Dmitri Schostakowitsch und Snétberger selbst auf. Einer der emotionalen Höhepunkte des Abends war Snétbergers Komposition “In Memory of My People” (1994/95), ein Concerto für Gitarre und Orchester. Snétberger schrieb das Werk, das er in einem Arrangement für Gitarre und Streichquartett unter Begleitung des Keller Quartetts vortrug, aus Anlass des 50. Jahrestages der Beendigung des Holocausts und widmete es dem Volk der Sinti und Roma. Die Stimmung ist von dezenter Melancholie. Passagen inwendiger Trauer wechseln mit tänzerischen Momenten, die befreiende Gefühle verströmen, so dass sich der Gedanke einer heilenden Rolle der Musik aufdrängt. 
Im Vergleich dazu nimmt sich Schostakowitschs Streichquartett Nr. 8 in c-Moll (1960) wie ein innerer Kampf aus. Das an die Opfer des Faschismus und des Krieges gemahnende Werk ist beherrscht von modern pulsierender Dramatik. Deren Unaufgelöstheit bildete das Keller Quartett bei dem Konzert atemberaubend klar ab. Einen nötigen Ausgleich im Programm besorgten da die kantablen Fähigkeiten Snétbergers, die in den Klageliedern John Dowlands besonders eindringlich zur Geltung kamen, vor allem in dem von David W. Solomons für Gitarre und Cello arrangierten Lied “Flow, my tears” (1600), das Snétberger an der Seite des ungarischen Cellisten László Fenyő ergreifend einfühlsam vortrug.

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