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Ins Freie – Zsófia Boros mit Gitarrenmusik von Mathias Duplessy

Zsófia Boros
13.04.2023
Zsófia Boros ist bekannt für ihr einfühlsames Gitarrenspiel. Die ungarische Gitarristin verfügt über eine makellose Technik, kultiviert einen klar konturierten Ton und erzielt dabei doch Wirkungen, die stark an traumhafte und unbewusste Seelenregionen des Menschen rühren. Boros debütierte im Jahr 2013 mit “En otra parte” in der New Series von ECM. Das vielbeachtete Album rückte Musik des kubanischen Komponisten Leo Brouwer ins Zentrum der Aufmerksamkeit und bestach mit einer schwebend leichten Interpretation von Ralph Towners “Green and Golden”. 2016 folgte mit “Local Objects”, das neben zeitgenössischer und jazzartiger Kompositionskunst ein breites Spektrum von Klangwelten brasilianischer, italienischer, argentinischer und aserbaidschanischer Herkunft präsentierte, ihr zweites Album im Label von Manfred Eicher
Jetzt hat mit “El último aliento” ihr drittes ECM-Projekt das Licht der Welt erblickt. Nicht minder vielseitig und hochgespannt wie seine Vorgänger, kombiniert es argentinisches Repertoire des 20. und 21. Jahrhunderts mit Gitarrenmusik des hierzulande noch relativ unbekannten, großen französischen Autodidakten und Multiinstrumentalisten Mathias Duplessy.
Deplussy als Impressionist
Es ist das erste Mal, dass sich Boros in einer Veröffentlichung so ausgiebig dem Werk des produktiven Grenzgängers widmet. Ein verdienstvolles Vorhaben, denn Duplessy hat Gitarrenmusik von ureigener Gestalt geschaffen, impressionistisch getönt und reich an ebenso überraschenden wie anmutigen Melodien. Boros schafft den Spagat, die harmonischen Konturen Duplessys klar erkennbar werden zu lassen und sich zugleich dem rauschhaften Fluss seiner farbenreichen Klangpoesie hinzugeben. 
Exemplarisch in “Le labyrinthe de Vermeer”, dessen geheimnisvolle Farbtupfer zu Beginn sie gelöst in den Klangraum wirft, bevor sie die Linien der virtuos verzierten Melodie mit der nötigen Schärfe und gleichzeitigen kantablen Eleganz zieht. In “De rêve et de pluie” beeindruckt, wie geschickt und beiläufig sie den erwartungsvoll flirrenden Auftakt der Komposition in die melancholische Grundstimmung des Stücks überführt.
Schlüssiges Programm
Erstaunlich an ihrem neuen Album ist, wie selbstverständlich sie Deplussys eigenwillige Klangsprache mit dem argentinischen Repertoire in Schwingung bringt. So knüpft etwa Sinesis Stück “Tormenta de ilusión”, das sie mit einem Roncoco, einem an die Mandoline erinnernden Instrument aus der Andenregion, spielt, trotz seines höheren Tempos und seiner stärkeren Gespanntheit scheinbar nahtlos an Duplessys lyrisches “Perle de Rosée” an. Aber auch mit Werken von Carlos Moscardini, Joaquín Alem und Alberto Ginastera gelingt Boros der integrative Akt eines in sich schlüssigen Programms.
Als Highlight der argentinischen Literatur kann Moscardinis titelgebendes Stück “El último aliento” gelten. Mit seinen hauchzarten Flageoletttönen und den farbenreichen Harmonien stiftet es eine soghaft anziehende Klangsphäre, die seltsam magisch zwischen melancholischen und heiteren Stimmungen schwankt. Boros fühlt sich in dieser Zwischenwelt des “letzten Atems”, wie man “último aliento” übersetzen könnte, hörbar wohl. Es gehe um “etwas Ungreifbares, Schönes und zugleich allgemein Verbindendes”, reflektiert sie den Titel ihres neuen Albums gegenüber Markus Deisenberger.
 

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