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Kammermusik für Akkordeon – Frode Haltli interpretiert Bent Sørensen und Hans Abrahamsen

Frode Haltli
© CF-Wesenberg/ECM Records
24.08.2016
Frode Haltli passt in keine Genre-Schublade. Die unentdeckten Klangressourcen des Akkordeons, die er mit Leidenschaft erforscht, sind ihm viel zu wichtig, um sich unnötige Grenzen aufzuerlegen.

Passionierter Klangerweiterer: Der Akkordeonist Frode Haltli

Dennoch hat er eine musikalische Herkunft, die man seiner Interpretations- und Improvisationskunst auch deutlich anmerkt. Frode Haltli, der im Alter von sieben Jahren mit dem Akkordeonspiel begann, begeisterte sich als Kind für folkloristische Musik. Der 1975 in Levanger/Norwegen geborene Akkordeonist tauchte tief in die überlieferten Klangwelten seiner Heimat ein, bevor er sich auch für klassische Musik zu interessieren begann und die enorme Wandlungsfähigkeit seines Instruments kennenlernte.
Avantgardistische Komponisten wie Per Nørgård und Arne Nordheim weckten in ihm schließlich das Interesse für atmosphärische Erweiterungen unserer tradierten Hörgewohnheiten. Das Akkordeon schien wie gemacht für solche Experimente, und Frode Haltli drang mit seinem Instrument nach und nach in neue Klanggefilde vor. Dabei nahm Bent Sørensen einen starken Einfluss auf ihn. Der dänische Komponist drängte ihn, neue Techniken und Klänge auf dem Instrument auszuprobieren, und Haltli ließ sich nicht lange bitten.

Impressionistische Stimmungen: Ernte eines Grenzgängers

Was Sørensen von ihm forderte, entsprach exakt seinem musikalischen Temperament. Der junge Künstler, der heute als einer der eigensinnigsten und improvisationsfreudigsten Grenzgänger zwischen Jazz, traditioneller Musik und zeitgenössischer Avantgarde gilt, wollte das Akkordeon unbedingt an seine klanglichen Grenzen führen, und als Bent Sørensen ihm “Looking on Darkness” komponierte, da demonstrierte der norwegische Solist, was das bedeutet.
Haltli lässt das Akkordeon elegisch ertönen, erzeugt wie selbstverständich meditative und verträumte Stimmungen und achtet doch bei aller impressionistischen Dominanz akribisch darauf, einzelne Töne klar abzugrenzen. “Looking on Darkness” bildet schließlich den Titeltrack von Haltlis ECM-Debüt, und mit seinem gerade erschienenen Album “Air” knüpft der Norweger an die bewährte Zusammenarbeit mit Bent Sørensen an und kompiliert dessen Werke mit Kompositionen von Sørensens Landsmann Hans Abrahamsen.

Dichte Poesie: Bent Sørensen und Hans Abrahamsen

Das Album setzt ein mit “It is Pain Flowing Down Softly on a White Wall von Bent Sørensen, ein Werk, das der dänische Komponist ganz im Geiste von “Looking on Darkness” verfasst hat, das heißt mit besonderem Augenmerk auf die Poesie des Akkordeons. Frode Haltli spielt das Werk unter der Begleitung der Trondheim Soloists. Man hört gedehnte, melancholische Streicherklänge, in die sich das Akkordeon geschickt einfügt, um sich in der Folge allmählich aus dem Klangteppich des Kammerensembles herauszulösen.
Die Stimmung wechselt zwischen Stille und sirenenartigen, manchmal auch abrupten Unterbrechungen des sanften Flusses. Mittendrin intoniert das Akkordeon plötzlich eine fugeähnliche Sequenz, die seltsam fremd anmutet, bei längerem Hinhören aber auf geheimnisvolle Weise mit dem Orchersterklang korrespondiert. Mit “Air”, das zugleich den Titel des Albums bildet, interpretiert Haltli eine Komposition für Akkordeon solo von Hans Abrahamsen, die mit sanften, nach einer Toccata oder einem Präludium von Bach klingenden Tonfolgen einsetzt.
Daraus entwickeln sich allmählich gedehnte Akkorde, die eine friedliche Anmutung haben und gemessen durch das Stück schreiten. Es folgen drei kleine, atmosphärisch dichte Nocturnes von Abrahamsen, die Frode Haltli unter der Begleitung des Arditti Quartet vorträgt, bevor das Album mit der einzigen Komposition, die nicht eigens für diese Veröffentlichung geschrieben wurde, schließt. “Sigrids Wiegenlied” von Bent Sørensen war ursprünglich eine Nocturne für Klavier. Aber die schwebende Stimmung dieses Stücks eignet sich hervorragend für Akkordeon. 

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