Die Corona-Pandemie hat nicht zuletzt die Kultur-Szene vor immense Herausforderungen gestellt und das bisherige Konzert-Leben schwer erschüttert. Umso außergewöhnlicher und intensiver gerieten jene Live-Konzerte, die trotz der pandemischen Ausnahmesituation realisiert wurden und Publikum wie Künstlern, gleichwohl unter hohen Sicherheitsvorkehrungen, wieder ein unmittelbares Musikerlebnis ermöglichten. Zwei solcher gefeierter Konzerte fanden im Sommer 2020 und 2021 bei den Salzburger Festspielen statt und waren mit
Elīna Garanča und den
Wiener Philharmonikern unter Leitung von
Christian Thielemann renommiert besetzt. Unter dem Titel “
Live From Salzburg”
erscheint bei
Deutsche Grammophon am
3. Dezember nun ein Live-Mitschnitt der beiden Darbietungen, der die außergewöhnliche Intensität und Energie dieser Konzerte eindrucksvoll widerspiegelt.
Orchesterlieder in unterschiedlicher Farbgebung – das Programm des Albums
Mit den “Wesendonck-Liedern” von Richard Wagner sowie den “Rückert-Liedern” von Gustav Mahler sind auf dem Album zwei große Orchesterlieder-Zyklen zu erleben, die in der Kombination von Mezzosopran und Orchesterpart ein Klangerlebnis von berückender Farbigkeit und Dichte bieten. Die “Wesendonck-Lieder” wurden von Richard Wagner als “Fünf Gedichte für Frauenstimme und Klavier” in den Jahren 1857 und 1858 komponiert und zu musikalischen Abbildern seiner Gefühle zu Mathilde Wesendonck, die er in seinem Schweizer Exil in Zürich kennen und lieben gelernt hatte. Eine echte Beziehung war allerdings nie möglich, schließlich waren sowohl Wagner als auch Wesendonck verheiratet.
Entsprechend zerrissen, schwermütig und emotional ist die Grundstimmung der fünf Lieder, die Wagner auf Basis von Gedichten Wesendoncks komponiert hat. Schwankend zwischen Hochgefühl und Melancholie, Liebe, Todessehnsucht und Erlösung arbeitet Wagner hier bereits mit Themen, die er später in seiner Oper “Tristan und Isolde” musikalisch vertiefen sollte. Ursprünglich wurden die Stücke von Wagner für Frauenstimme und Klavier komponiert – die in Salzburg aufgeführte Orchesterversion wurde von Felix Mottl farbenreich instrumentiert.
Die “Rückert-Lieder” von Gustav Mahler wiederum waren ursprünglich nicht als in sich geschlossener Zyklus gedacht, sondern wurden zu unterschiedlichen Zeiten als fünf selbstständige Einzelwerke komponiert. Die Verbindung zwischen den einzelnen Stücken stellt der Dichter Rückert her, dessen feine Textlyrik die Grundstimmung der Werke prägt. Mahler komponierte die Lieder ursprünglich für Solostimme und Klavier und vermerkte über ihren Grundcharakter, dass sie “im Kammermusikton gehalten” seien. In der Tat offenbaren sich die “Rückert-Lieder” als innige und weitgehend intime Charakterstücke, bei denen die persönliche Empfindung des Individuums im Vordergrund steht. Höhepunkt dieser innigen Reise ist das Liebeslied “Ich bin der Welt abhanden gekommen”, das mit seiner schwebenden Melodik und traumwandlerischen Aura betörend für sich steht. Mahler selbst arrangierte vier seiner “Rückert-Lieder” auch als Orchesterfassung, nur das Lied “Liebst du um Schönheit” wurde von Max Puttmann nach Mahlers Tod instrumentiert.
Kraftvolle Interpretation im Angesicht der Ausnahmesituation
Beide Konzerte, die auf dem Album “Live From Salzburg” festgehalten werden, fanden unter Ausnahmebedingungen und strengen Hygienevorschriften statt. Umso größer war die Dankbarkeit des Publikums und umso intensiver waren die musikalische Kraft und Innigkeit, die im Moment der Live-Darbietung entstanden. Die Aufnahmen geben diese besondere Atmosphäre berührend wieder und dokumentieren darüber hinaus die einzigartige Interpretationskunst Elīna Garančas im Zusammenspiel mit den Wiener Philharmonikern unter dem Dirigat von Christian Thielemann.
Bei ihrer Ausdeutung der vielschichtigen Orchesterlieder bewies die Mezzosopranistin mit bronzefarbener Tiefe und schwebenden Höhen ihren beeindruckenden Stimmumfang und bestach mit perfekter Artikulation der Texte und hochkonzentrierter Emotionalität. Das Orchester wiederum zeigte sich als ebenso farbenreicher wie ausgesprochen zart und kammermusikalisch subtiler Klangkörper als vollendeter musikalischer Partner Garančas, der unter der sensiblen und balancewahrenden Leitung von Thielemann zur Hochform auflief. So ist das Album “Live From Salzburg” bewegendes Zeitdokument und musikalischer Genuss zugleich.