Joan Sutherland gab ihr den Ritterschlag. Die Jahrhundertsängerin sprach mit Blick auf
Elīna Garanča von einer “glänzenden Stimme” und “der Erscheinung einer wahren Diva”. Dass die lettische Mezzosopranistin über sängerisches Genie und ein betörendes Charisma verfügt, hat sie in den zurückliegenden Jahrzehnten eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Die 1976 in Riga geborene Sängerin hatte bereits im Alter von 21 Jahren ihre ersten Engagements. In Bukarest und Athen freundete sie sich mit der Bühne an.
In den Folgejahren verfeinert sie mit viel Geschick und harter Arbeit ihre Gesangskunst, bis ihr im Jahre 2003 der ganz große Coup gelingt. Es ist bei den Salzburger Festspielen. Elīna Garanča singt die Partie des Annio in Mozarts Oper
La clemenza di Tito, und das Publikum ist hingerissen von ihrer sängerischen Extraklasse. Seither ist sie von den großen Bühnen der Welt nicht mehr wegzudenken und hat sich vornehmlich mit
Mozart und Bel-canto-Repertoire einen internationalen Ruf erworben.
Wechsel ins dramatische Fach: Elīna Garanča
Aber ihre Stimme hat sich in den letzten Jahren verändert. Sie ist noch voluminöser geworden, schwingt noch mächtiger aus, und Elīna Garanča sieht die Zeit gekommen, in dramatische Rollen zu schlüpfen und einen Fachwechsel vorzunehmen. Es ist genau der richtige Augenblick. Die lettische Mezzosopranistin hat seit längerem das Bedürfnis, sich zu verändern und neue Herausforderungen anzunehmen. Jetzt ist es soweit. Mit ihrem neuen Album “Revive” wagt sie den Schritt und taucht tief ein in dramatische Gewässer.
“Ich bin überzeugt, dass es für mich jetzt richtig ist, Frauen der Opernliteratur zu verkörpern, die stark sind, die mir nahe sind, die in ihrem Leben ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie ich”, so Garanča offenherzig. “In allem, was ich tue, habe ich mir zum Vorsatz gemacht, nur dann auf die Bühne zu gehen, wenn ich genau verstanden habe, warum ich eine Figur darstelle. Ich hoffe, dass jeder, der diese Aufnahme hört, für sich etwas daraus ziehen kann. Und da reicht es schon, wenn das bei einer einzigen Arie gelingt.”
Leidenschaftlich nachempfunden: Starke Frauen in verletzlichen Lagen
Das ganze Album pulsiert und bringt den schlagenden Beweis, dass Elīna Garanča den richtigen Schritt getan hat. Wenn sie die liebestrunkene Bäuerin Santuzza aus Mascagnis Oper Cavalleria rusticana singt, dann spürt man, dass sie mit allen Fasern ihrer Persönlichkeit bei der Sache ist. Man nimmt ihr den Kummer, den sie in Santuzzas schluchzender Arie Voi lo sapete, o mamma bekennt, in jeder gesanglichen Nuance ab. Elīna Garanča verkörpert ihre Heldinnen. Sie singt von Dingen, die sie aus eigenem Erleben kennt.
Santuzza war die erste dramatische Verismo-Partie, die Garanča sang. Damit begann, wie die Mezzosopranistin im Booklet-Essay zum neuen Album mitteilt, “mein Vorstoß auf ein neues Terrain voller Herausforderungen”. Das Album ist herumgruppiert um die Rolle aus Mascagnis Oper. Es ging Elīna Garanča darum, ein Programm aus Arien zusammenzustellen, das zu der leidenschaftlichen Inbrunst Santuzzas passt. Dabei griff sie auf ein breit gefächertes Repertoire zurück.
Das Album enthält berührende Arien und Szenen unter anderem aus Saint-Saëns’ Oper Henry VIII, Leoncavallos La Bohème, Massenets Hérodiade, Cileas Adriana Lecouvreur, Berlioz’ Les Troyens und Verdis Don Carlo. Unter der Begleitung des von Roberto Abbado dirigierten Orquestra de la Comunitat Valenciana führt Elīna Garanča eine komplexe Welt dramatischer Empfindungen vor: “In meinem Alltag kann ich alles sein: eifersüchtig, wütend, witzig, traurig. Das Leben ist wie ein großes Buch voll bunter Bilder, und die Frauen auf diesem Album kommen alle darin vor.”