Jeder kennt zumindest eine Handvoll Stücke des größten italienischen Filmmusik-Komponisten: Hollywood-Hits und Kino-Klassiker pflastern seinen Weg. Der Maestro spielte das Lied vom Tod, füllte einen Käfig voller Narren, brachte das Cinema ins Paradiso. Seine Musik ist wie ein Ding aus einer anderen Welt, stets war
Morricone auf seiner eigenen musikalischen Mission. Er hat die Filme so unterschiedlicher Regisseure wie
Sergio Leone und
Roman Polanski,
Oliver Stone und
Margarethe von Trotta,
Pedro Almodovar und
Quentin Tarantino untermalt. Morricone war dabei, wenn Kino-Geschichte geschrieben wurde, sein Einfluss auf die Film-Kunst der letzten sechzig Jahre ist kolossal! In seiner Liga fallen einem nach längerem Nachdenken vielleicht noch die Namen
Hans Zimmer und
John Williams ein.
Auf dem brandneuen Album “Morricone 60” erscheinen nun 23 der schönsten Kompositionen aus seiner Feder – komplett neu eingespielt vom Tschechischen Nationalen Sinfonieorchester unter der persönlichen Leitung des Komponisten und Dirigenten. Das neue Album präsentiert Morricones Klangwelt wie aus einem Guss – ähnlich wie auf den jüngsten, weltweit umjubelten Konzerten der aktuellen “60 Years of Music World Tour” des Römers.
Morricones zahlreiche Fans begeben sich beim Hören des Albums auf eine Wiederentdeckungsreihe, denn er hat hier manchen zeitlosen Titel seines Gesamtwerks etwas anders inszeniert: “Jill´s Theme” verleiht er noch mehr Dringlichkeit, puccinisches Pathos als in der Originalfassung von 1968. Die im Original loungige Easy-Listening-Perle “Metti uns Sera a Cena” wird zum streichergestreichelten, klanglich deutlich optimierten Jazz-Bossa. Natürlich ließ sich die markante Maultrommel von “Für ein paar Dollar mehr” (über 28 Millionen Aufrufe bei Youtube) nicht umgehen – übrigens dolmetschte kein anderer als Clint Eastwood die Dankesrede Morricones bei den diesjährigen Oscars – diese leicht veränderten Nuancen in den so vertrauten Motiven Morricones machen das Album unwiderstehlich.
Am Donnerstag, den 10. November, ist er 88 geworden. Seit Kindeszeiten ist die Musik ständig in ihm präsent. Er “lebe sie sogar im Schlaf”, sagte Morricone der österreichischen Tageszeitung Die Presse. Sein Vater war Musiker in einem Tanzorchester. Als Teenager studierte er Trompete und Harmonielehre am Römischen Konservatorium, schrieb zunächst Musik fürs Theater und das Radio, erlebte als junger Mitarbeiter der Rundfunkanstalt RAI die Entstehung des aufstrebenden Massenmediums Fernsehen hautnah mit. Sechzig Jahre später hat Morricone mit seiner Musik im letzten Quentin-Tarantino-Streifen “The Hateful Eight” ein spektakuläres Comeback gefeiert. Er nahm einen Oscar und einen Golden Globe entgegen, weihte in Los Angeles seinen Stern auf dem Walk of Fame ein, in den vergangenen zwei Jahren kamen 350.000 in seine Konzerte.
Die Zusammenarbeit Morricones mit dem Tschechischen Symphonieorchester begann 2013 mit der Musik für den italienischen Film “La migliore offerta” (Das höchste Gebot), gefolgt von “The Hateful Eight” und den Konzerten seiner “60 Years of Music”-Tour. Es ist ein junges Orchester, das neben klassischer Konzertmusik auch moderne Genres wie Musical, Jazz und Filmmusik abdeckt.
Die Filmmusik, die er schreibe, unterliege “dem Zwang der Kinobilder, der exakten Längen, fast wie bei einer Stoppuhr”, sagte Morricone dem Bayerischen Rundfunk. "Das sei “eine Art von Gefängnis für die Interpretation der Musik”. Hörbar aus dem Korsett gehoben, können seine Stücke nun abgelöst vom Kino-Kontext genossen werden. Sein Weggefährte Sergio Leone fand persönlich Musik expressiver als Dialog und er ließ Morricone oft schon vor Drehbeginn komponieren, um in Stimmung zu kommen. Veni, vidi, vici: die Musik kam, Leone sah, der Film siegte.