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Finnisches Doppel – Esa Pekka Salonen, Jean Sibelius und die Walt Disney Concert Hall

14.11.2007
Es ist noch nicht lange her, da wurde in Los Angeles mit der Walt Disney Concert Hall einer der modernsten Konzertsäle der Welt eröffnet. Und es ist nicht zuletzt das Verdienst von Esa-Pekka Salonen, dem Chef-Dirigenten der Los Angeles Philharmonic, dass sich der Raum binnen kurzer Zeit den Ruf einer ausgezeichneten Adresse für großorchestrale Aufführungen erworben hat. Dazu kommt noch ein weiterer Faktor. Durch die Aufnahme-Reihe DG Concerts, die im Zeitalter des virtuellen Datentransfers auf einen physischen Tonträger verzichtet und auf diese Weise taufrisch Konzertmitschnitte in feinster Tonqualität zum Download anbieten kann, werden Salonens Aktivitäten in Windeseile weltweit bekannt und verfügbar. Der aktuelle Geniestreich ist die Aufnahme von Sibelius' zweiter Sinfonie, die er mit seinem Orchester am zweiten Oktoberwochenende dem Publikum in Los Angeles präsentierte.
Es kann nicht schaden, auch bei Komponisten manchmal ein wenig nachzuhelfen. Jean Sibelius (1865–1957) zum Beispiel bekam im März 1900 einen Brief. Verfasst hatte ihn ein mysteriöser Mister X, hinter dem sich der Baron Axel Carpelan verbarg, und der zum Meister meinte, ob er denn nicht etwas schönes Finnisches aus Anlass der Weltausstellung in Paris schreiben wolle. Er verwies dabei auf Anton Rubinsteins Fantasie “Rossija” von 1889 und schlug darüber hinaus vor: “Der Name ihrer Ouvertüre müsste ‘Finlandia’ heißen, was meinen Sie?”. Der Rest ist Musikgeschichte, aber es war noch nicht das Ende der Korrespondenz. Noch im selben Jahr erhielt Sibelius ein weiteres Schriftstück von Mister X, in dem es hieß: “Sie sind jetzt eine ganze Weile schon zu Hause herumgesessen, Mr. Sibelius, so ist es höchste Zeit für Sie, ein wenig zu reisen. Sie sollten den späten Herbst und den Winter in Italien verbringen, einem Land in dem man Kantabilität, Balance und Harmonie, das Plastische und die Symmetrie der Linien lernt, ein Land, wo alles wunderbar ist – sogar das Hässliche. Erinnern sie sich nur daran, was Italien etwa für Tschaikowskys Entwicklung oder die von Strauss bedeutete”. Irgendwie wurde es tatsächlich möglich, den Komponisten und seine Familie zunächst nach Berlin und dann nach Italien zu lotsen, woraufhin er prompt die Arbeit an seiner zweiten Sinfonie aufnahm.

Das Werk hatte am 8.März 1902 Premiere und es entwickelte sich schnell zu einem der vielgeschätzten Orchesterstücke von Sibelius, zumal es in der Deutung als nationales Kultur-Fanal im Angesicht der russischen Expansion verstanden wurde. Zwar wandte sich der Komponist vehement gegen eine derartige inhaltliche Interpretation und bestand darauf, absolute Musik geschrieben zu haben, trotzdem blieb die zweite Sinfonie lange auch ein kulturpolitisches Vehikel. Aus der Distanz von mehr als einem Jahrhundert allerdings stellt sich das Werk weitaus weniger zeitbezogen heraus.

Esa-Pekka Salonen folgt der Idee von Sibelius selbst und interpretiert das mächtige Stück als ebensolches Bespiel spätromantischer Gestaltungskunst an der Schwelle zur Moderne. Dabei ist sein Gespür für die immanenten Steigerungsmomente und Nuancierungen ebenso faszinierend wie die harmonische Leitung seines Ensembles, dem er inzwischen seit rund 16 Jahren vorsteht. Die Aufnahme im Rahmen von DG Concerts jedenfalls präsentiert das finnische Doppel als perfekte Kombination der musikalischen Gefühlslagen – ein Grund mehr, sich einen Download mit reifer, mitreißender Musik zu gönnen.

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