„Wer Klavier spielt, hat Glück bei den Frau´n.“ Wenn diese Johannes Heesters-Weisheit jemals gestimmt hat, dann bei Franz Liszt. Denn wo der hagere Mann mit den ultralangen Hexenfingern auf seinen Europatourneen Halt machte, erwarteten ihn nicht etwa – wie zwei Jahrhundert später bei Robbie Williams – kreischende Teenies mit Zahnspange. Heerscharen von Baroninnen und Gräfinnen fielen plötzlich bei Liszt in Ohnmacht und vergaßen vollkommen ihre gute Kinderstube. Reife Damen prügelten sich um ein von Liszt benutztes Taschentuch und lauerten ihm im Hotel auf. Und selbst eine von ihm weggeworfene Zigarette wurde laut eines Zeitzeugens von einem weiblichen Fan „trotz mehrmaligen Erbrechens mit einem eingebildeten Entzücken weitergeraucht.“
In seinen Virtuosenjahren ab 1839 entwickelte sich der Frauenschwarm Liszt aber nicht nur zum Don Juan. Mit seinem Spiel schoss er das Klavierspiel endgültig in eine neue Galaxie. Als ob er nicht fünf, sondern mindestens zehn Finger an jeder Hand hatte, verwandelte er dann schon mal die schwarzen und weißen Tasten in ein ganzes Orchester. Oder er spickte seine Kompositionen derart mit höllischen Schwierigkeiten, dass man keinem Menschen aus Fleisch und Blut, sondern einem Dämon zuzuhören glaubte. Kaum erstaunlich ist es daher, dass Liszts Karriere eine einzige Erfolgsstory gewesen ist. Von seinem Vater als Wunderkind aufgebaut, wurde der 1811 in Ungarn geborene Liszt schnell eine der einflussreichsten, weil vielseitigsten Musiker-Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Er machte sich als Kapellmeister für die Opern seines Schwiegersohns Richard Wagner stark und den französischen Kollegen Hector Berlioz in Deutschland bekannt. Und mit seinen Orchesterwerken pulverisierte Liszt die Symphonie-Form genauso, wie er die die klassische Klaviersonate sprengte. Liszts h-Moll-Sonate gehört zum Visionärsten, was jemals für Klavier komponiert wurde.
Überhaupt ist Liszts riesiges Klavierschaffen bis heute für alle Pianisten Pflicht und Herausforderung geblieben. Ob seine effektvollen „Ungarischen Rhapsodien“ und Transkriptionen von berühmten Opern-Melodien, ob seine „Mephisto“-Walzer oder die musikalischen Reisebericht-Zyklen „Années de pèlerinage“. Vor 125 Jahren ist Liszt in Bayreuth gestorben. Doch 2011 ist eben auch sein 200. Geburtstag. Und so sorgen in den nächsten Monaten internationale Spitzenpianisten für ein wahres Revival der Lisztomanie. Daniel Barenboim und Pierre-Laurent Aimard werfen sich ihm mit Neueinspielungen zu Füssen. Während Referenzaufnahmen von altgedienten Liszt-Spezialisten wie Alfred Brendel und Krystian Zimerman das Liszt-Jahr ideal abrunden. Man höre Liszt – und staune nur!
Biografie:
Obwohl Franz Liszt bis zu seinem zehnten Lebensjahr nur sporadischen Klavierunterricht genossen hatte, verblüffte bereits der Elfjährige mit seinem Klavierspiel das gesamte musikalische Wien (Beethoven und Schubert eingeschlossen), und bevor er dreizehn Jahre alt war, lagen ihm auch Paris und London zu Füßen. In den nächsten zwanzig Jahren brachte er es auf seinem Instrument zu nie dagewesener Virtuosität. Liszt wurde zum erfolgreichsten Pianisten der Musikgeschichte und zu einem Liebling der feinen Gesellschaft in ganz Europa, war aber auch berühmt-berüchtigt für seine diversen Liebesaffären. 1848 wurde er Hofkapellmeister beim Großherzog von Weimar, wo er die nächsten dreizehn Jahre verbrachte. Als engagierter Fürsprecher der Musik seiner Zeitgenossen dirigierte Liszt hier neben eigenen Werken in Erst- und Uraufführungen auch Stücke von Donizetti, Berlioz, Schumann, Wagner und Verdi. Er hatte zahlreiche begabte Schüler, widmete daneben aber einen Großteil seiner Zeit dem Komponieren, und die Liste seiner Werke ist dementsprechnd umfangreich, vor allem im Bereich der Orchester-, Chor- und Klaviermusik. Liszts Verdienste als Komponist sind von der Nachwelt immer sehr unterschiedlich bewertet worden, wobei jedoch die Originalität seiner harmonischen und formalen Experimente nie in Frage stand.